Der Pathologe
vorbei, auf der die Stifter verzeichnet waren. Namen, die in abgeschrägten Großbuchstaben eingraviert waren. Er war nicht in der Stimmung für Wohltätigkeit.
Als er auf die Fahrstühle zuging, entdeckte er Angela und Ted Dirgrove, die in weißen Kitteln lächelnd den Korridor hinuntergingen, in eine angeregte Diskussion vertieft.
Sie gingen nah nebeneinander her. Einen Moment lang berührten sich ihre Hüften.
Angela erblickte ihn und blieb stehen. Winkte fröhlich, sagte etwas zu Dirgrove und kam auf Jeremy zu.
Sie gab ihm einen zu harten Kuss auf die Wange. Jeremy hielt nach Dirgrove Ausschau, aber der Chirurg war um eine Ecke verschwunden.
Als sie bemerkte, dass seine Sachen völlig durchnässt waren, sagte sie: »Oh, mein Gott, was ist denn mit dir passiert?«
»Mir war nicht klar, wie nass man wird, wenn man im Regen steht.«
Sie berührte sein nasses Haar, hakte sich bei ihm ein und befreite sich rasch wieder von seinem nassen Ärmel. »Du bist ja wirklich pitschnass.« Sie tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Nase. »Ich bin Ärztin, deshalb musst du mir jetzt zuhören. Obwohl in der Forschung kein Zusammenhang zwischen nass und krank werden hergestellt wird, fühle ich mich verpflichtet, dich vor entsprechenden Konsequenzen zu warnen.«
»Vielen Dank, Doc.« Jeremys Stimme klang erschöpft, und Angela sah ihn neugierig an.
»Alles in Ordnung?«
»Jep.«
»Hast du trockene Sachen zum Wechseln?«
»Wenn ich den hier ausziehe, geht’s mir gut.« Jeremy schälte sich aus dem Regenmantel und hielt ihn auf Armeslänge von sich. Wasser tropfte auf den Boden der Eingangshalle. Angela sah ihn noch einmal prüfend an.
»Ich vermute, du wirst es überleben.«
Sie hakte sich wieder bei ihm ein, und sie setzten ihren Weg zu den Aufzügen fort. Als sie nach oben fuhren, sagte Jeremy: »Ich habe dich zweimal angepiept.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Ich war in einer Konferenz über Lungenkrankheiten. Dr. Van Heusen war der Vortragende, und er duldet keine Unterbrechungen. Ich hätte das verflixte Ding abstellen sollen – zum Glück war es im Vibrationsmodus.« Sie grinste. »Du weißt ja, wie sehr wir Mädchen auf Vibration stehen. Sobald ich draußen war, hab ich dich angerufen, aber du warst nicht in deinem Büro. Worum geht’s?«
»Ich hab mich bloß gefragt, ob du ein bisschen Zeit hast.«
»Oh.« Sie runzelte die Stirn. »Nein, hab ich nicht. Hab ich wirklich nicht. Es war ein verrückter Tag, Jeremy, und er wird noch verrückter. Ich habe mehr als ein Dutzend ernsthaft kranker Patienten, dann muss ich in die Ambulanz, und bei diesem Wetter haben wir bestimmt ein volles Haus mit Bronchitis- und Asthmafällen und kleinen Kindern mit Krupp, die sich die Seele aus dem Leib husten. Dann eine Besprechung nach der anderen, und danach hab ich Bereitschaft.«
»Der Dienstplan.«
»Manchmal bin ich mir unsicher«, sagte sie. »Manchmal scheint es gar keine schlechte Idee, Plätzchen zu backen. Andererseits vielleicht doch. Du hast meinen Schmorbraten mit Bohnen gegessen. Das gibt dir einen ziemlich guten Einblick in meine kulinarischen Fähigkeiten.«
Jeremy wusste, dass eine schlagfertige Antwort von ihm erwartet wurde. Er war einfach zu müde, um der Herausforderung gerecht zu werden, und murmelte: »Das häusliche Leben würde dir nicht reichen.«
Sie zog ihren Arm zurück und blickte ihn an. »Ist irgendwas nicht in Ordnung, Schatz?«
Schatz.
»Nein«, sagte er und zwang sich zu einem Lächeln. »Manchmal scheint Plätzchenbacken wirklich keine schlechte Idee zu sein.«
Sie lachte und massierte seine Schulter. Der Aufzug hielt auf Angelas Stockwerk, und Jeremy stieg mit ihr aus.
»Sobald ich ein bisschen Zeit habe, ruf ich dich an.«
»Prima.«
Als sie sich zum Gehen wandte, sagte er: »Also ist Ted Dirgrove ein neuer Freund?«
Auf der Station herrschte reger Betrieb, Rollstühle wurden von Pflegern mit leerem Blick vorbeigeschoben, Ärzte lasen Krankenblätter im Vorübergehen, Krankenschwestern huschten von einem Zimmer ins andere. Angela blieb stehen und drehte sich schnell um, trat näher an Jeremy heran, zog ihn aus dem geschäftigen Treiben in eine ruhige Ecke. Ihre Augen waren schmal geworden.
»Macht dir irgendwas zu schaffen?«
»Nein – vergiss es; das war unangebracht.«
»Jeremy, ich schiebe Dienst bei den Lungenkranken, und Dirgrove ist Brustchirurg. Wir haben gemeinsame Patienten, und ich habe ein Interesse an dem entwickelt, was er tut. Nicht für mich persönlich, ich
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