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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Mitglieder. Der Shropshire und der Fairview blieben protestantisch und blütenweiß.
    War Balleron ein lateinamerikanischer Name?
    Er rief zuerst im Haverford an und fragte nach der Richterin. Der Mann, der an den Apparat gekommen war, sagte: »Ich glaube, sie ist noch nicht eingetroffen.«
    »Hier spricht Dr. Carrier. Wann rechnen Sie mit ihr?«
    »Mal sehen … sie hat einen Abschlagtermin für fünfzehn Uhr reserviert. Ein Arzt … geht es der Richterin nicht gut?«
    »Es geht ihr prima«, sagte Jeremy und legte auf. Der Mann hatte nicht nach einem Ehemann oder anderen Familienmitgliedern gefragt. In der Annahme, irgendwelche gesundheitlichen Probleme seien die der Richterin.
    Bedeutete das, dass Tina Balleron allein lebte? Genau wie Arthur?
    Genau wie Jeremy?
    Und wenn schon.
    Keine weiteren Vermutungen.
    Er besuchte seine Patienten ohne Unterbrechung, verzichtete auf Kaffee, Mittagessen und Pausen, füllte rasch seine Krankenblätter aus und nahm seinen Trenchcoat überallhin mit, damit er das Krankenhaus verlassen konnte, ohne in sein Büro zurückkehren zu müssen.
    Um Viertel nach zwei verließ er die Innenstadt auf dem Hale Boulevard und blieb auf dieser von Häusern mit Eigentumswohnungen gesäumten Straße, bis er die nördlichen Außenbezirke der Stadt erreicht hatte.
    Die malerische Strecke. In entgegengesetzter Richtung von Arthurs Mietshaus in Ash View.
    Diese Fahrt ging durch Vororte der Oberschicht, dann an Anwesen mit Reitställen und Gutshöfen vorbei, der einen oder anderen Reitschule und zwei Internaten, die von abweisenden Grünanlagen umgeben waren. Ein Geflecht schmaler Seen kam ins Blickfeld, das Land dazwischen durchweicht wie Reisfelder. Weitere leere Wiesen folgten. In leuchtenden Farben bemalte Schilder priesen Parzellen von hundert Morgen an. Um 14.40 Uhr rollte Jeremy auf die sieben Meter hohen Pfeiler und das Eisentor des Haverford Country Club zu.
    Hinter dem schmiedeeisernen Zierwerk verlief eine sanft ansteigende Zufahrt, die von einem niedrigen Mäuerchen aus Feldsteinen begrenzt war. Monumentale Bäume wuchsen auf allen Seiten. In einiger Entfernung stand ein weißes Wächterhäuschen. Jeremy parkte am Straßenrand.
    Die Sonne ließ sich nicht blicken, aber das vermochte der Landschaft keinen Abbruch zu tun. Er rollte sein Seitenfenster herunter, und die Luft roch frisch. Die meilenweit getrimmten Grasflächen waren einfach zu grün, und regennasse Baumstämme glänzten wie Obsidiansäulen. Kräftige Rhododendronsträucher und tapfere Rosen trotzten der Jahreszeit und bekannten arrogant Farbe. Farne tropften verheißungsvoll, und ein paar scharlachrote Kardinalsvögel flatterten durch die Blätter.
    Hier draußen störten keine Raben den Frieden. Ein Himmel, der die Stadt verdüstert hatte, sah hier tatsächlich hübsch aus: Flächen von poliertem Silber, deren aprikosenfarbene Streifen dort ein tieferes Karminrot annahmen, wo die Feuchtigkeit nicht weichen wollte.
    Jeremy musste an ein Poster denken, das im Büro eines seiner Kollegen hing. Ein Psychologe namens Selig, ein netter, kluger Mann, der auf dem Aktienmarkt ein Vermögen verdient hatte, aber immer noch als Therapeut arbeitete, weil es ihm Freude bereitete, Leute gesund zu machen. Er fuhr mit einem alten Honda zur Arbeit und hatte einen neuen Bentley in der Garage stehen.
    Ich war arm, und ich war reich. Reich ist besser.
    Jeremy fragte sich, wie es wäre, reich zu sein. Er hatte genug wohlhabende Leute mit Depressionen behandelt, um zu wissen, dass Geld nicht unbedingt glücklich machte. Konnte es irgendwie dazu beitragen, das Elend abzuschwächen, wenn das Leben eine wahrhaft schlimme Wendung nahm?
    Er saß in seinem Wagen und fixierte das Tor des Golfclubs. Innerhalb von vierzehn Minuten kamen fünf Luxuswagen angebraust, deren Fahrer die Rufanlage bedienten und voller Zuversicht weiterfuhren, als die schmiedeeisernen Torflügel aufschwangen.
    Der sechste Wagen war Tina Ballerons weißer Cadillac, und Jeremy stand wartend zwei Meter vor dem Tor, als sie den Wagen zum Stehen brachte.
    Kein neuer Caddy. Fünf, sechs Jahre alt, dunkel getönte Fenster und mit Chrom verzierte Speichenräder. Ein dünner roter Nadelstreifen unterteilte die robuste Karosserie, die offenbar frisch eingewachst worden war, weil die Feuchtigkeit an ihr abperlte.
    Wie Arthurs Lincoln wunderbar in Schuss.
    Als sich das dunkle Fenster senkte, bemerkte Jeremy, dass es viel dicker war als üblich – anderthalb Zentimeter Sicherheitsglas.
    Er hatte

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