Der Pathologe
Vergangenheit, das ihn …«
»Machen Sie sich keine Gedanken um Arthur, mein Lieber.« Sie streckte die Hand aus und legte ihre Finger auf Jeremys Ärmel. »Verlieren Sie nicht das Ziel aus den Augen.«
»Was ist das Ziel?«
»Das herauszufinden ist Ihre Sache.«
»Also wirklich, Richterin …«
Sie brachte ihn zum Schweigen, indem sie ihm einen Finger auf die Lippen legte. Angela hatte das Gleiche getan.
Sei still, mein Kleiner.
Ein Mercedes kam neben ihnen zum Stehen. Sein Seitenfenster glitt herunter, und ein wohlgenährtes Männergesicht lächelte die Richterin an.
»Hank«, sagte sie. »Bist du bereit?«
»Allzeit bereit, Teen. Wir sehen uns auf dem Putting-Grün.«
Der Mercedes rollte weiter auf das Tor zu, dessen Flügel automatisch aufgingen. Ein unsichtbarer Wachposten – oben im Wächterhäuschen – wusste offenbar, wer dazugehörte und wer nicht.
Balleron lächelte Jeremy an. »Es war schön, Sie wiederzusehen, aber ich muss unsere kleine Plauderei leider abbrechen. Reservierte Abschlagszeiten sind heilig. Golf ist weniger ein Spiel als eine Religion. Wenn man seine Startzeit verpasst, zieht man sich den Zorn seiner Glaubensgenossen zu.«
Sie nahm ihre Hand von seinem Handgelenk und zog die Sonnenblende nach unten. Auf der Innenseite befand sich ein Spiegel, in dem sie ihr Make-up überprüfte. Sie zog eine Puderdose aus der Straußenhandtasche und begann sich das Gesicht zu pudern.
Bereitete sie sich auf die Golfpartie vor?
Die Straußentasche stand weit offen, so dass Jeremy sehen konnte, was oben auf den üblichen Damenutensilien lag.
Eine glänzende, kleine halbautomatische Pistole.
Tina Balleron wusste, dass er die Waffe gesehen hatte. Sie verstaute die Puderdose, schloss die Handtasche wieder und sagte: »Auf Wiedersehen.«
»Richterin Balleron, in jener Nacht fiel ein Satz. ›Zweckdienlichkeit siegt über Tugend.‹ Daraufhin senkte sich Schweigen über den Raum.«
»Schweigen kann eine Tugend an und für sich sein, mein Lieber. Dann bis zum nächsten Mal.« Sie lächelte, lehnte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Wange. Jeremy stieg aus, und der weiße Cadillac rollte auf das Tor des Country Club zu.
Der Wagen blieb stehen. Das Fenster senkte sich.
»Übrigens«, sagte sie. »Ich hab mich über diese Australtölpel schlau gemacht – die kleinen monogamen Dinger, von denen uns Harrison erzählt hat. Sie hatten überlegt, ob es dafür Populationsgründe geben könnte. Ich habe nichts finden können, was darauf hinweist.«
Sie lächelte Jeremy an.
»Okay«, sagte er.
»Vielleicht«, sagte sie, »tun sie einfach nur das, was richtig ist.«
Sie schloss das Fenster und fuhr weiter. Jeremy stand da, während das Tor für sie aufglitt. Und er blieb draußen.
Außen vor, immer blieb er außen vor.
33
Um halb fünf saß er wieder an seinem Schreibtisch und sah seine Post durch – Bitten um Konsultationen, Sitzungstermine und teilweise völliger Müll.
Keine Postkarten, keine Umschläge von der Otolaryngologie.
Aber das war auch nicht zu erwarten. Zu früh. Es war alles gut abgestimmt.
Er kehrte zum Computer zurück.
Der
Clarion
war klassisches journalistisches Mittelmaß, aber er verfügte über ein Online-Archiv, auf das man gegen eine Gebühr Zugriff hatte. Jeremy gab eine Kreditkartennummer an und loggte sich ein.
»Robert Balleron«
ergab fünf Treffer, die alle vier bis fünf Jahre zurücklagen.
Industrieller in seinem Büro ermordet
Hängt Mord an Balleron mit Immobilienerfolg zusammen?
Mord an Balleron immer noch nicht aufgeklärt
Vernehmung der Gattin Ballerons, einer Richterin
Polizei: Ermittlungen im Mordfall Balleron werden fortgesetzt
Robert A. Balleron, 69, war sechzig Meilen entfernt in Greenwood ermordet worden, einer wohlhabenden Schlafstadt. Die Zeitung hatte nicht selbst über den Fall berichtet; die Berichte stammten allesamt aus anderen Quellen.
Jeremy rief sie nacheinander auf. Der »Immobilienmakler und -tycoon« war im Arbeitszimmer seiner »palastartigen Tudor-Villa« gefunden worden, zusammengesackt über einem »prunkvollen Schreibtisch«, nachdem der Tod durch mehrere Schusswunden eingetreten war. Robert Balleron war politisch aktiv gewesen, äußerst ehrgeizig und bekannt dafür, dass er keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging, wenn er seine Interessen bedroht sah. Ein harter Mann, aber moralisch ohne Makel – im Grunde eine Art Tugendbold, der gerne Korruptionsvorwürfe gegen diejenigen erhob, die sie seiner
Weitere Kostenlose Bücher