Der Pathologe
ich
machen
, verdammte Scheiße?«
Jeremy blieb zwei Stunden bei ihm, hörte die meiste Zeit zu, gab gelegentlich seiner Anteilnahme Ausdruck. Die Eltern steckten nach der ersten Stunde die Köpfe ins Zimmer, sahen Jeremy, lächelten schwach und gingen wieder.
Eine Schwester kam herein und fragte Doug, ob er Schmerzen habe.
»Ein bisschen in den Knochen, nicht sehr stark.« Er rieb sich die Rippen und über den Unterkiefer. Das Krankenblatt sagte, dass seine Milz bereits vergrößert sei, vielleicht im kritischen Bereich.
»Dr. Ramirez sagt, Sie könnten Percocet haben, wenn Sie wollen.«
»Was meinen Sie, Doc?«
»Sie wissen, wie Sie sich fühlen«, erwiderte Jeremy.
»Es wäre nicht feige?«
»Mit Sicherheit nicht.«
»Yeah, dann mal los. Setzen Sie mir einen Schuss.« Doug lächelte die Schwester an. »Kann ich auch einen Rum haben? Oder ein Bier?«
Die Schwester war jung, und sie zwinkerte ihm zu. »In Ihrer Freizeit, Tiger.«
»Das ist cool«, sagte Doug. »Vielleicht holt mir Doc ’ne kleine Erfrischung.«
»Das erfüllt den Tatbestand der Beihilfe«, erklärte die Schwester.
Alle lachten leise. Füllten die Zeit aus. Die Schwester gab eine Spritze Percocet in die Infusion. Das Medikament hatte eine gewisse Zeit lang keine sichtbare Wirkung, aber dann sagte Doug: »Yeah, jetzt ist es etwas besser – Doc, was dagegen, wenn ich schlafe?«
Die Eltern und die Frau warteten direkt vor der Tür. Marika war klein und hübsch, hatte zottelige blonde Haare und fassungslose blaue Augen. Ihrem Bauch sah man die leichte Schwellung der frühen Schwangerschaft an. Sie sah aus wie sechzehn.
Weder sie noch Dougs Vater, Doug senior, sagten ein Wort. Mrs. Vilardi redete für alle, und Jeremy verbrachte eine weitere Stunde mit der Familie, ließ sich die Ohren voll weinen und stopfte seine Seele voll mit Elend.
Danach kam die Besprechung mit Bill Ramirez, weitere zwanzig Minuten wurden die vernünftigen, mitfühlenden Fragen der Nachtschwestern beantwortet, Pläne für die zukünftige psychologische Unterstützung entworfen, und schließlich wurde das Krankenblatt ausgefüllt.
Als er am Ende auf den Gang hinaustrat, war es früh am Morgen, und er konnte kaum noch die Augen offen halten.
Er ging in sein Büro zurück, um seinen Regenmantel und seinen Aktenkoffer zu holen, überlegte, ob er sich noch mal an den Computer setzen sollte, und entschied sich dagegen.
Er fuhr wie ferngesteuert nach Hause, kam an der mittlerweile dunklen Fassade des Excelsior vorbei, glitt durch leere, sepiafarbene Straßen, ohne den Mond wahrzunehmen, den Kopf glücklich frei von Gedanken und Bildern.
Er stolperte ins Haus und schaffte es, seine Sachen abzustreifen, bevor die Füße ihm den Dienst versagten. Er schlief bereits, bevor sein Kopf das Kissen berührte.
39
Er verschlief, frühstückte nicht und zog sich an, als handle es sich um ein Kostüm.
Sein erster Termin war Doug Vilardi um elf. Der junge Mann würde an diesem Nachmittag mit der Chemotherapie beginnen. Falls das und weitere Strahlenbehandlung keine Besserung brächten, war die einzige Alternative eine Knochenmarkstransplantation, und das bedeutete eine Verlegung in eine andere, fünfzig Meilen entfernte Klinik.
Die Entscheidung für eine Behandlung hätte ein qualvoller Prozess sein können. Die frühere Behandlung hatte Dougs Leben gerettet, aber sie hatte auch sein Knochenmark vergiftet.
Doug hatte keine Sekunde geschwankt. »Was soll der Scheiß, Doc? Was erwartet man von mir? Dass ich mich zusammenrolle und sterbe? Meine Frau erwartet ein Baby.«
Kein besonders heller Bursche, nicht kultiviert oder beredt. Die Herausforderung für Jeremy hatte darin bestanden, Doug dazu zu bringen, dass er seinen Gedanken Ausdruck verleihen konnte. Aber als er schließlich so weit war, gab es kein Halten mehr.
Jeremys Methode war gewesen, ihn nach dem Maurerhandwerk zu fragen.
»Das sollten Sie mal sehen, ich hab ein paar Wände hochgezogen, Mann. Ein paar richtige Wände.«
Ich auch.
»Kennen Sie diese Kathedrale – St. Urban’s, drüben am South End? Das Pfarrhaus an der einen Seite – das kleinere Gebäude –, das besteht aus lauter Ziegeln, nicht wie die Kirche, die aus Stein ist. Wir haben es repariert, meine Firma und ich. Es hatte all diese Rundungen, und wenn man sie sieht, fragt man sich, wie sie das wohl hinkriegen.«
Jeremy kannte die Kirche, hatte das Pfarrhaus aber nie bemerkt. »Und es ist gut geworden.«
»Besser als gut, Mann, es war …
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