Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
»Doktor«, sagte sie, »ein bisschen dürftig, was Sie da haben.«
    »Mehr hab ich leider nicht zu bieten«, erwiderte er.
    »Wenn diese drei Kinder adoptiert sind, dann die Akten kamen höchstwahrscheinlich unter Verschluss. Nicht unmöglich, dranzukommen, aber sehr schwer, verstehen Sie, was ich meine? Meistens haben wir es mit Kindern zu tun, die längst erwachsen sind und jetzt nach ihre leibliche Eltern suchen. Wir müssen uns da an strenge Vorschriften halten. Das, wo Sie nach fragen, ist was anderes.«
    »Das ist mir klar. Und ich stehe unter einigem Zeitdruck …«
    »Alle haben es eilig. Immer nur eilig. Was ist nach zwanzig Jahren so eilig?«
    »Es ist ein medizinischer Notfall.«
    »Also, ein Richter wird Sie bestimmt anhören, wo Sie Papiere haben. Holen Sie sich gerichtliche Verfügung. Dann können wir vielleicht Nachforschungen machen.«
    »Eine gerichtliche Verfügung würde Tage in Anspruch nehmen.«
    »Das ist richtig. Hier drinnen nichts läuft so besonders schnell. Wenn Sie nicht einen Richter persönlich kennen. Hingehen und sich gleich was unterschreiben lassen.«
    »Der Zeitfaktor ist entscheidend.«
    »Ist für die meisten Leute. Tut mir leid. Aber wissen Sie, wie Sie vielleicht besser machen?«
    »Und wie?«
    »Sie müssen rauskriegen ein bisschen mehr Informationen über die Leute, die Sie suchen, vielleicht mit einem von diesen raffinierten Suchprogrammen in Ihrem Computer. Vielleicht Sie kriegen Informationen. Funktioniert ziemlich gut. Sie nehmen sich einen Privatdetektiv. Das ist das Erste, was er macht, wenn er sich von Ihnen Geld hat in die Tasche gesteckt.«
    »Ich benutze selten Computer.«
    »Nicht? Doktor, das ist moderne Welt. Mein Dreizehnjähriger, der findet Sachen, Sie würden nicht für möglich halten. Hat tatsächliche meine Kusine Violetta aufgespürt, hatte seit zehn Jahren nichts von ihr gehört. Sie arbeitete in eine Krankenhaus in L. A., aber er sie hat gefunden. Hat mal gerade ein paar Tage dafür gebraucht. So sollten Sie mal versuchen.«
    »Ich denk drüber nach«, antwortete Ricky.
    »Schon sehr hilfreich, wenn Sie die Sozialversicherungsnummer hätten oder so«, fügte die Frau hinzu. Ihr Tonfallwar melodisch, und ihre Unterhaltung mit Ricky bildete offensichtlich eine willkommene Abwechslung in ihrem Alltag. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass sie, auch wenn sie ihn bei seinem Anliegen enttäuschen musste, ihn nur ungern gehen ließ. Sie hatte sicher bald Feierabend, dachte er, und vermutlich konnte sie nach Hause gehen, wenn sie mit ihm fertig war, und so kam es ihr wohl gelegen, die verbleibende Zeit mit ihm herumzubringen. Eine innere Stimme sagte ihm, er sollte sich besser verabschieden, nur dass er nicht wusste, wie es weitergehen sollte.
    »Was für eine Art Doktor sind Sie denn?«, fragte sie ohne Umschweife.
    »Psychoanalytiker«, erwiderte Ricky und sah, wie sie die Augen verdrehte.
    »Sie können Gedanken lesen, Doc?«
    »So funktioniert das nicht«, erwiderte er.
    »Nein, vielleicht nicht. Dann wären Sie ja eine Art Medizinmann, oder?« Die Angestellte kicherte. »Aber ich möchte wetten, Sie können ziemlich gut raten, was die Leute als Nächstes machen?«
    »Ein bisschen. Nicht ganz so, wie Sie vielleicht denken.«
    Die Frau grinste. »Na ja, heutzutage, wenn Sie ein bisschen Informationen kriegen und wenn Sie die richtigen Tasten drücken, dann können Sie ’ne Menge rausbekommen. So läuft es nun mal.« Sie deutete mit einem dicken Unterarm auf die Tastatur und den Monitor.
    »Vermutlich, ja.« Ricky schwieg und warf einen Blick auf die Blätter, die er im Krankenhausarchiv bekommen hatte. Er betrachtete den Polizeibericht und entdeckte etwas, das vielleicht weiterhelfen konnte. Dank der Beamten, die Rafael Johnson, den gewalttätigen Freund der Toten, befragt hatten, war auch seine Sozialversicherungsnummer vermerkt. »HörenSie«, sagte Ricky, »wenn ich Ihnen einen Namen und eine Sozialversicherungsnummer gebe, kann dann dieser Computer jemanden für mich ausfindig machen?«
    »Und lebt der noch hier? Geht er wählen? Oder ist er verhaftet?«
    »Wahrscheinlich trifft alles drei auf einmal zu. Oder zumindest zwei. Keine Ahnung, ob er wählt.«
    »Könnte klappen. Wie heißt er?«
    Ricky zeigte der Frau den Namen und die Nummer im Polizeibericht. Sie warf einen prüfenden Blick in alle Richtungen, um zu sehen, ob sie jemand im Büro beobachtete. »Dürfen so was eigentlich nicht«, murmelte sie. »Aber wo Sie Doktor sind und so, also,

Weitere Kostenlose Bücher