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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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den Jahren des Greisenalters. Und das mit dem Apothekerstöchterlein – welches Mannsbild hätte da schon standhaft bleiben können? Dabei war dieses kleine Biest wahrhaftig keine Jungfrau mehr gewesen, da konnte man ihm kein X für ein U vormachen. Ums Haar wäre auch noch die Mutter hereingeplatzt. Gerade war er fertig geworden, mit einem ins Kopfkissen gewürgtenAufschrei, als er von draußen die Dielen hatte knarren hören. Hatte eben noch rechtzeitig aus dem Bett springen und sich die Kleider richten können, als es auch schon gegen die Tür geklopft hatte. Die gute Frau war rasch zu beruhigen gewesen. Dem Mädchen fehle nichts Ernsthaftes, hatte er ihr gesagt und bei sich gedacht, dass sie lieber besser achthaben solle auf ihr verdorbenes Töchterchen.
    Schade eigentlich. Diese höchst aufregende Episode würde sich wohl kaum wiederholen, wenn Jacoba nun tatsächlich mit ihrer Familie nach Frankfurt ging. Vielleicht sollte er ja beim Rat dagegen intervenieren? Schließlich hatte auch Jecklin als Stadtapotheker seine Pflicht zu erfüllen.
    Aber wer von den Stadtoberen scherte sich noch um seine Pflichten? Da konnte man es dem gemeinen Volk nicht verdenken, wenn es seinerseits weder die christlichen Gebote noch die strengen Stadtverordnungen mehr befolgte. Statt demütig und fleißig seiner Arbeit nachzugehen, soff man lieber und fluchte, lotterte und sündigte, um hernach beim Vespergottesdienst oder bei der Frühmesse zu beichten. Behaimer musste an den jungen Grathwohl denken: Der lebte wie ein Bettelmönch, kümmerte sich um Todgeweihte und dazu, in beinahe lächerlicher Ernsthaftigkeit, um eine verwaiste Baustelle! Und das alles wahrscheinlich nur, weil ihm dieses hübsche Judenmädchen – hieß sie nicht Esther? – einst das Herz gebrochen hatte.
    Der Tag hätte noch so schön ausklingen können, wäre ihm nicht kurz vor dem Stadttor dieser vermaledeite Tuchersohn in die Quere gekommen. Trotz der späten Tageszeit wirkte er für diesmal vollkommen nüchtern.
    «Was denkt Ihr, werter Medicus – wie viele wird es bei uns treffen?» Meinwarts langes, dunkles Haar hing ihm in Strähnen ins Gesicht. «In Basel soll schon die halbe Stadt verreckt sein.»
    Täuschte er sich, oder lauerte der Bursche ihm in letzter Zeit auf? Schon bei seinen letzten beiden Krankenbesuchen hatte er ihn in seiner Nähe bemerkt, und so klein war die Stadt nun auch wieder nicht.
    Behaimer wurde zornig.
    «Lass mich in Ruhe! Ich hab mit dir nichts zu schaffen.»
    «Wirklich nicht?» Meinwart straffte den Rücken. Um nahezu zwei Köpfe überragte der junge Tucher ihn, was Behaimer nur noch wütender machte. Dazu glotzten jetzt etliche Leute wie die Maulaffen zu ihnen herüber.
    «Da hat man wohl», fuhr Meinwart mit lauter Stimme fort, «umsonst die Juden geschlagen, was, Doctorlein? Mausetot sind sie alle, und die Pestilenz haben wir trotzdem in der Stadt. Nun ja, Ihr braucht Euch darum ja nicht mehr zu sorgen. So wenig, wie Ihr Euch um meinen kranken Vater gekümmert habt.»
    «Verschwinde!», zischte Behaimer.
    Meinwart umklammerte sein Handgelenk so fest, dass es schmerzte. Zugleich beugte er sich herunter an sein Ohr und flüsterte: «Eine Mark Silber – oder die ganze Stadt kriegt spitz, wer das Gift beschafft hat. Um mich ist’s mir nicht bange. Ob ich nun am Galgen sterbe oder an der Pest – wenigstens will ich’s mir bis dahin rundum gutgehen lassen.»
    «Du bist ja von allen guten Geistern verlassen.»
    Behaimer schüttelte ihn ab wie eine lästige Schmeißfliege und eilte durch das Tor.
    «Eine Mark Silber, sage ich nur. Ich geb Euch drei Tage», hörte er ihn noch rufen. Behaimer hatte Mühe, sein Reittier zu besteigen. Dieser Maulheld, dieser Schaumschläger! Niemals würde er einen solchen Verrat wagen. Zudem würde Aussage gegen Aussage stehen.
    Doch je näher er dem Burggraben kam, desto unsichererwurde er. Seitdem er bei der Grafenfamilie wohnte, war der Rat der Stadt ihm nicht mehr allzu sehr gewogen. Schließlich war man dort sogar gegen den Snewlin gegangen, den eigenen Schultheißen.
    Nein   – Meinwart musste für immer von der Bildfläche verschwinden. Und plötzlich wusste er auch, wie. Es gab da einen, dessen Hass grenzenlos sein würde, wenn er erfuhr, wer das Judenschlagen dereinst in Gang gebracht hatte.
     
    Benedikt hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Kaum dass der Tag dämmerte, sprang er aus dem Bett und kleidete sich an. Den Weg vom Kirchplatz zum Elternhaus legte er im Laufschritt zurück,

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