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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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der Pestkranken, anstatt wie seine Altersgenossen möglichst viel Spaß bei Geselligkeit und Weibern zu haben. Er korrigierte sich: wie alle Welt es tat, denn nicht nur die Jungen wollten ihren Spaß. Schon bei seinem letzten Gang in die Stadt war ihm aufgefallen, dass Freiburg aus seiner Angststarre erwacht schien, dass aus den Häusern wieder Gelächter und Gezänk drang, sich die Trinkstuben füllten, die Schornsteine der Badhäuser rauchten. Auch die Läden der Werkstätten waren wieder geöffnet, die Verkaufslauben und Stände an Markttagen besetzt, wenn auch hie und da Lücken klafften.
    Doch Behaimer wusste ebenso gut, dass das nicht der gewöhnliche Alltag war. Die, die hier in den engen Gassen lebten, hatten Angst, als Nächstes an der Reihe zu sein. Und zu ertragen war diese Angst nur, wenn man den Kopf in den Sand steckte und es sich ansonsten gutgehen ließ, sich am besten mit allen erdenklichen Vergnügungen ablenkte. Bereits am helllichten Mittag hatte er heute etliche Handwerker und Händler betrunken bei ihrem Tagwerk beobachten können oder gar in den Armen von freien Frauen, die inzwischen wohl zu jeder Stunde ihre Dienste anboten.
    Immer darauf bedacht, ja keinem Menschen zu nahe zu kommen, machte er sich auf den Weg in Richtung Obertor,wo sein Pferd auf ihn wartete. Er lächelte vor sich hin. Wie hatte es Jacoba vorhin ausgedrückt? Falls ich schon morgen an die Himmelspforte klopfen muss, dann wenigstens mit einem gutgefüllten Bauch und einem ergötzlichen Leben zuvor.
    Dieses kleine Luder! Er schüttelte den Kopf. Als heute früh Jecklins Dienstmagd ihn um eine dringliche Consultation im Apothekerhaus ersucht hatte, da die junge Herrin schwerkrank sei, hatte er sich in großer Sorge sogleich auf den Weg machen wollen. Doch die Magd hatte abgewehrt: Nicht vor der Nachmittagsstunde möge er kommen, die Jungfer Jacoba habe eben erst einen Schlaftrunk zu sich genommen.
    So hatte er sich wenigstens die Zeit nehmen können, um sich frisch zu machen, von Meister Günther den Bart stutzen zu lassen und einen neuen Leibrock anzulegen. Viel zu bald war er am Haus Zum Elephanten angelangt und beschloss daher, zuvor noch ein wenig mit seinem alten Freund Jecklin zu plaudern. Aber in der Offizin traf er nur dessen Gesellen und Jacobas Mutter an. Sie waren gerade dabei, aus einer klebrigen, grünbraunen Masse kleine Mengen abzuwiegen. Sein geschultes Auge erkannte sofort, dass es sich dabei um jene Ingredienzien handelte, nach denen das Volk so gerne verlangte: gedörrte und gepulverte Kröten und Maulwürfe, dazu Hühnermägen, Geierhirn, Vogelkrallen, Hechtzähne, Krebsaugen und solcherlei mehr.
    Nach einem freundlichen Gruß fragte er: «Ist Euer braver Mann denn gar nicht da?»
    «Der ist heut Nachmittag drüben in Waldkirch, bei unserm Arzneykrämer. Und das, wo ich alle Hände voll zu tun hab.»
    «Nun denn, eigentlich komme ich zu Eurer kranken Tochter. Sie hat Eure Magd nach mir geschickt.»
    «Davon weiß ich gar nichts.» Die Apothekersfrau rollte erstauntdie großen, grünen Augen – das Einzige übrigens, was sie ihrer Tochter vererbt hatte. Ansonsten war die dürre Frau nicht gerade mit Schönheit gesegnet.
    «Ist sie denn nicht krank?»
    «Ein wenig unpässlich, seit gestern. Aber krank? Wartet, ich läute nach der Magd.»
    Kurz darauf erschien das Hausmädchen.
    «Was soll das? Was ist mit Jacoba?», fuhr sie die Magd an. «Warum weiß ich nichts davon, dass sie nach dem Herrn Medicus geschickt hat?»
    Ihre Stimme war schrill geworden, und Behaimer sah ihr an, welch angsteinflößender Gedanke in ihr aufstieg.
    «Es ist nichts Arges, gnädige Herrin. Nur starke Kopf- und Brustschmerzen.»
    Das hatte Behaimer bereits auf der Burg erfahren. Auch, dass kein Fieber im Spiel war und er somit gefahrlos die Krankenstube würde betreten können.
    «Führ mich jetzt zu ihr», drängte Behaimer. Ihm war nicht wohl in seiner Haut, als er der Magd quer durch das Laboratorium hinüber ins Wohnhaus folgte. Wie sah das aus? Wegen lächerlicher Kopfschmerzen den Stadtarzt zu rufen – und das im Hause eines Apothekers, wo es hierfür alle erdenklichen Salben und Mittelchen gab! Er würde der Jungfer eine kleine Rüge erteilen müssen.
    Am Treppenaufgang holte die Apothekerin ihn ein.
    «Wartet noch, Behaimer!» Sie war außer Atem. «Falls es – falls es die Pestilenz ist – so sagt mir die Wahrheit. Ich weiß nicht, ob Jecklin es Euch bereits eröffnet hat. Aber wir werden die Stadt verlassen. Bald schon.

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