Der Pestengel von Freiburg
zwischen die faltigen alten Säcke gekommen.»
«Gott zum Gruße», entgegnete er hierauf nur und machte sich auf den Weg hinaus in den Hof.
«Dir auch einen schönen Tag», hörte er sie noch rufen.
Im Hof hockte er sich abseits der ausgelassenen Zecher auf eine Handkarre und wartete. Etliche spöttische Zurufe musste er ertragen, und wie um ihn noch mehr zu reizen, wurde dasGetändel unter den Kastanien immer brünstiger und schamloser. Es fiel ihm schwer, nicht hinzustieren.
Endlich erschien Paulus Überslag. Immerhin hatte er sich ein langes Hemd übergeworfen, wohl im Bewusstsein seines Amtes als Kirchenschaffner.
«Was gibt es so Dringliches, dass du mich sogar im Badhaus störst?»
«Scherereien auf dem Werkplatz. Die Männer machen ihre Arbeit nicht mehr. Man sollte ihren Lohn einbehalten.»
«Ja, wundert dich das?», blaffte Überslag los. «Ist die Katze außer Haus, tanzen die Mäuse. Ich sag dir was, Meisterknecht: Dein Johannes von Gmünd und sein Parlier sind elende Feiglinge. Machen sich vom Acker, und ein Bürschchen wie du soll alles Weitere richten. Das konnte ja nicht gutgehen. Dieser Baumeister wird was erleben, wenn er zurück ist.»
Überslags Blick ging in Richtung Kastanienbäume. Sofort begannen seine Augen beim Anblick der halbnackten Weiber dort zu glitzern.
«Und jetzt lass mir meine Ruhe, Meisterknecht. Komm am Montag nach Feierabend wieder, da können wir wegen der Löhne meinetwegen reden.»
Benedikt war verärgert. Wie einen Schulbub hatte der Schaffner ihn abgespeist. Vielleicht sollte er einfach alles hinwerfen. Er wollte sich schon abwenden, als Filibertus Behaimer den Hof betrat.
«Sieh da, sieh da – der junge Grathwohl! Suchst du jetzt Arbeit als Badknecht?»
Er trug lediglich einen knappen Lendenschurz, über dem eine mächtige bleiche Speckwulst hing, sein spärlicher Haarkranz klebte nass am Schädel. Mehr als lächerlich sah er aus.
Der Schaffner lachte laut auf. «Wär gar nicht dumm, jetzt,wo ihm seine Männer davonlaufen.» Sein Lachen ging in Husten über.
«Hab gehört», fuhr Behaimer fort, «du wohnst neuerdings ganz vornehm in der Wohnung des Baumeisters? Na ja, im Gesellenhaus soll es nachts ja auch zugehen wie in Sodom und Gomorrha.»
Benedikt überhörte Behaimers Bemerkung. Er wusste, dass sich einige das Maul über sein neues Domizil zerrissen, vor allem seine Taglöhner. Aber das war ihm gleich. Schließlich hatte Meister Johannes es ihm freigestellt, dort oder bei den Gesellen zu wohnen. Zudem hatte er von der Wohnung aus den Werkplatz weitaus besser im Blick.
«Dann also bis Montagabend, Herr Kirchenschaffner. Gott zum Gruße, die Herren», verabschiedete er sich.
«He, wart mal!» Behaimer watschelte auf seinen teigigen, nackten Füßen neben ihm her in Richtung Hoftor. «Bist du nicht befreundet mit Meinwart Tucher?»
«Wer sagt das?»
«Ich dachte nur. Ihr seid doch zusammen aufgewachsen.»
«Ja und?»
«Ich dachte, du könntest mir vielleicht Auskunft geben. Es heißt, er habe allerhand Dreck am Stecken und schrecke vor nichts zurück. Hat er nicht einmal deine Judenfreundin angegriffen?»
Nach der Abendmahlzeit mit Mechthild und seiner Mutter kehrte Benedikt in die Wohnung des Baumeisters zurück. Auf Höhe seiner Werkstatt stellten sich ihm plötzlich Degenhart, der Hüttenkoch, und drei seiner Arbeiter in den Weg, die ihm offensichtlich aufgelauert hatten.
«Du elender Speichellecker», schnauzte Degenhart. SeinAtem stank nach Branntwein. «Hast dich bei oberster Stelle über uns beschwert!»
«Geht mir aus dem Weg.»
«Nichts da.» Der Koch, der einen knappen Kopf kleiner war als Benedikt, aber dafür mehr als doppelt so breit, drehte ihm blitzschnell die Arme auf den Rücken. «Wir kennen deine Lügen. Der Schaffner will uns nicht mehr auszahlen.»
«Andersrum wird ein Schuh draus. Ihr bekommt euer Geld, wenn ihr ordentlich arbeitet.» Benedikt zwang sich, ruhig zu bleiben, auch wenn er ahnte, was gleich folgen würde. «Und jetzt lasst mich los. Sonst seid ihr den letzten Tag hier auf dem Werkplatz gewesen.»
«Du willst uns drohen? Du Muttersöhnchen, du aufgeblasener Möchtegern-Baumeister! Auf, Männer, geben wir diesem Judasbruder den Lohn, den er verdient.»
Vergebens versuchte Benedikt, sich freizukämpfen, als ihn auch schon der erste Schlag ins Gesicht traf. Wie mit Eisenklammern hielt Degenhart ihm die Arme auf dem Rücken, während die Schläge der andern auf ihn eindroschen – ins Gesicht, gegen Brust und
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