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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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fühlte sich geschwollen an.
    «Man hat sie gefangen genommen. Alle   – Männer, Frauen und Kinder.»
    Seine Mutter legte ihm die Hand auf die Schulter. «Du hättest tot sein können.»
    Da erinnerte er sich wieder an jede Einzelheit. Wäre er nur ein halbe Stunde früher bei den Grünbaums gewesen – er und Esther hätten fliehen können!
    «Fass mich nicht an!», schrie er seiner Mutter entgegen. «Du bist schuld, wenn Esther etwas geschieht. Du allein. Ich hasse dich.»

Kapitel 12
    S chon bald nach der Gefangennahme der Juden war Filibertus Behaimer aufs Burgschloss bestellt. Für diesmal ging es dem alten Grafen nicht ums Schröpfen und Pulsmessen.
    «Was hältst du von der Judenfrage?», kam er unumwunden zur Sache, nachdem Behaimer den Kleinen Saal betreten hatte.
    Behaimer kauerte dicht beim Kaminfeuer, um sich die durchgefrorenen Glieder aufzuwärmen. Im elsässischen Benfeld nahe Straßburg tagten seit dieser Woche unter dem Vorsitz des Straßburger Bischofs die Vertreter der drei Städte Basel, Freiburg und Straßburg sowie die elsässischen Landherren. Auch Graf Friedrich, Cunrats Sohn, hielt sich dort auf, zusammen mit seinem Schultheißen und dem Freiburger Bürgermeister. Es ging darum, das weitere Vorgehen gegenüber den Juden abzusprechen. Behaimer wie auch die übrigen Ratsherren wurden täglich durch einen reitenden Boten über den Stand der Dinge auf dem Laufenden gehalten. So wusste er, dass die Mehrheit der Gesandten inzwischen dafür plädierte, sich der Juden zu entledigen, da es unter der Bevölkerung immer häufiger zu Tumulten kam, angestachelt von einigen Hitzköpfen. Zudem näherte sich Fastnacht – eine Zeit, die sich erfahrungsgemäß durch gesteigerte Angriffslust des gemeinen Mannes auszeichnete. Nur die Straßburger zierten sich noch. Sie wüssten keine Bosheit von ihren Juden, und deshalb wollten sie, dass das Gesetz gewahrt bleibe. Diese Haltung war allseits auf großen Unmut gestoßen. Gerade die Straßburger nämlich hattenkürzlich erst sämtliche Brunnen verschließen und die Eimer entfernen lassen.
    Da Behaimer noch immer schwieg, setzte Graf Cunrat nach: «Warum zögert ihr Ratsherren eigentlich noch? Verdächtigt man die Juden nicht schon seit geraumer Zeit, unsere Brunnenwasser vergiften zu wollen?»
    «Das schon, ehrenwerter Graf. Aber zwischen Wollen und Tun ist rechtlich gesehen ein großer Unterschied. Bis jetzt ist noch niemand zu Schaden gekommen. Außerdem – was uns Freiburger betrifft, kommt es auf die Ratsherren gar nicht so sehr an. Das letzte Wort als Stadtherr habt Ihr und Euer Sohn.»
    Der Graf seufzte. «Du spielst auf den Schutzbrief an. Da sind Friedrich und ich leider nicht einer Meinung.»
    «Ich will hier nicht gegen die Juden plädieren. Aber im Falle einer – sagen wir einmal – Vertreibung könntet Ihr Anspruch auf ihren Besitz erheben, zumindest in Teilen. Damit wärt Ihr fürs Erste Eure Geldsorgen los und erst recht Eure Schulden. Freilich müsste man auch die Patrizier und Zünfte zu einem Gutteil berücksichtigen – Ihr versteht gewiss.»
    «Du sprichst wie Friedrich und mein Schultheiß. Ich hingegen gebe zu bedenken, dass wir auf lange Sicht auch unsere wichtigsten Geldgeber verlieren würden.»
    «Dann holt Euch doch die Juden in fünf oder zehn Jahren wieder zurück. Nichts leichter als das – sofern Ihr ihnen gute Bedingungen bietet.»
    «Die Juden haben ein gutes Gedächtnis. Wenn wir sie jetzt ohne Grund beseitigen, wird sich in unseren Mauern, mit uns als Stadtherren, kein einziger mehr niederlassen wollen.»
    Behaimer begann zu lächeln. Ihm kam da ein Gedanke.
    «Nun denn, dann braucht es eben einen Grund. Einenhandfesten, unumstößlichen Beweis für ihre Schuld. Einen Giftfund in den Brunnenstuben beispielsweise.»
    «Du scherzt, Behaimer. Alle Freiburger Juden sind gefangen gesetzt. Wie sollen sie da noch irgendeinen Frevel begehen können? Ich hab nur zu deutlich im Ohr, dass der Rat der Stadt nicht grundlos gegen die Juden vorgehen wird. Allerdings   …» Ein Leuchten ging über das faltige Gesicht. «Dass ich darauf nicht früher gekommen bin! Du bist doch Arzt. Wer, wenn nicht du, kennt sich mit Giftkram aus?»
    Behaimers Grinsen wurde noch breiter. Der alte Graf hatte angebissen. Gerade eben erst war ihm dieser Einfall gekommen, mittels dessen auch er selbst seiner Schulden bei Moische Grünbaum bald frei und ledig sein konnte. Und wenn der Graf diesen Einfall nun als seinen eigenen ansah, ihn gewissermaßen als

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