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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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dich besser um ihn kümmern», fügte er milder hinzu.
    «Was soll das, Mann? Sein Husten ist längst vorbei.»
    «Hör auf, mir zu widersprechen. Du bleibst hier, verstanden?»
    Clara erschrak. In dieser Art hatte Heinrich noch nie mit ihr gesprochen.
    «Ist ja schon gut», lenkte sie ein. Plötzlich kam ihr ein furchtbarer Verdacht. «Was genau ist mit der Bärenwirtin?»
    «Ein plötzlicher Fieberanfall, nichts weiter. Wahrscheinlich ein Sommerkatarrh.»
    Damit war er auch schon zur Haustür hinaus.
    Kopfschüttelnd sah sie ihm nach. Dann ging sie hinaus in den Garten, um die vollgelaufene Regentonne abzudecken. Erst letzten Sommer war ein junges Kätzchen darin ertrunken.
    Verdrießlich betrachtete sie die Beete, in denen die Pflanzen mehr verkümmerten als gedeihten. Es war bereits Ende des Weidemonats, da hätte alles schon viel weiter im Wachstum sein müssen. Als sie um den Schuppen bog, trat sie auf etwas Weiches, und sie stieß einen unterdrückten Schrei aus. Zu ihren Füßen lag ein ganzes Knäuel toter Ratten.
     
    Als Heinrich einige Zeit später zum Nachtmahl heimkehrte, brachte er ihr und den Kindern Honigkuchen vom Feinbäcker mit. Ganz offensichtlich tat ihm seine Schroffheit von vorhin leid.
    «Finger weg», wies Clara ihre beiden Jüngsten streng zurecht,die schon die Hände nach den klebrigen Süßigkeiten ausgestreckt hatten. «Erst wird die Suppe gegessen.»
    «Lass sie doch.» Heinrich lachte gutmütig. Aber seine Heiterkeit wirkte angestrengt.
    «Wie geht es der Biengerin?», fragte Clara.
    «Die hat es bös erwischt. Vielleicht doch das Fleckfieber. Ich werde nach dem Essen nochmal bei ihr vorbeischauen müssen.»
    Als sie an diesem Abend zu Bett gingen, sagte Heinrich: «In der Schneckenvorstadt lagen tote Ratten auf der Gasse.»
    Clara schluckte. «Bei uns im Garten auch.»
    «Hast du sie angefasst?»
    «Nein. Ich hab sie hinter der Abortgrube vergraben und Kalk darübergestreut. – Heinrich, was hat das zu bedeuten?»
    «Vielleicht gar nichts. Vor einigen Jahren gab es das schon einmal. Allerdings am Ende des Winters, und nicht wie jetzt, wo es für die Ratten Nahrung in Fülle gibt.»
     
    In den nächsten Tagen fand man Rattenkadaver in der ganzen Stadt. Überall schienen sie mit letzter Kraft aus ihren Winkeln gekrochen zu sein, um auf der Straße zu verenden.
    Am Morgen zu Sankt Justin war die Bärenwirtin, nach nur dreitägiger Leidenszeit, verstorben. Bald darauf, am Sonntag vor Sankt Veit, gab es die nächsten Todesfälle: ein alter Pfründner des Reichen Spitals, der kurz zuvor Besuch aus Basel gehabt hatte, ein Fuhrmann sowie eine junge Wäscherin aus der Neuburgvorstadt und schließlich, wie auf einen Streich, bald ein Drittteil der Sondersiechen im Gutleuthaus draußen vor der Stadt. Mit Ausnahme der Guten Leut, bei denen die Kranken und Bresthaften wie üblich von ihren Leidensgenossen gepflegt wurden, war es Heinrich gewesen, der sie behandelt hatte. Undder hilflos hatte mit ansehen müssen, wie sie binnen weniger Tage qualvoll gestorben waren.
    Da erst begann er offen mit Clara zu reden. Es war ein sonniger, warmer Nachmittag, und er hatte Johanna mit den Kindern zum Grasschneiden auf ihr Feldstück geschickt.
    «Es war bei allen dasselbe», fing er an. «Dieses hohe Fieber von heut auf morgen, mit rascher Auszehrung, Herzrasen, Atemnot. Dazu Bluthusten und stinkender Atem. Der Rachen und die Zunge sind ganz ausgetrocknet, schwarz wie Holzkohle, dabei blutig. Und am Ende sind sie alle qualvoll erstickt, ohne jeglichen priesterlichen Beistand. Gott sei ihren armen Seelen gnädig!»
    Er bekreuzigte sich, und Clara tat es ihm nach. Als Frau eines Wundarztes brachte sie nichts so schnell aus der Fassung, doch dies hier ließ das Schlimmste vermuten.
    «Was sagt Behaimer dazu?», fragte sie und gab sich Mühe, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. «Als Stadtarzt, meine ich.»
    Heinrich stieß ein trockenes Lachen aus. «Er war nur bei der Bärenwirtin und dem Pfründner dabei. Meinte, er wisse nun genug. Ganz klar handle es sich hierbei um hitziges Fieber, um eine schwere Form des Sommerkatarrhs. – Was für ein Unsinn.»
    «Wer sagt dir, dass er nicht recht hat?»
    «Glaub mir, ich bin alle Möglichkeiten durchgegangen, alle tödlichen Krankheiten, die mir bekannt sind. Das hier ist weder Antoniusfeuer noch Nervenfieber, noch Schwindsucht. Außerdem hatten bis auf die Wäscherin alle eine Verbindung nach Basel.»
    Er stockte für einen Augenblick.
    «Da ist noch etwas.

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