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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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fragte Clara sich, und was hatten sie miteinander zu schaffen? Bereits zur Fastnacht, als Behaimer sie auf solch dreiste Art zu einemUmtrunk hatte überreden wollen, hatte sie beobachtet, wie er und Meinwart vor seinem Haus aneinandergeraten waren. Innerlich schüttelte sie den Kopf. Das alles ging sie gar nichts an. Sie konnte weder den einen noch den anderen ausstehen. Nein, sie würde jetzt nach Hause gehen, das hier wurde ihr allzu zuwider.
    In diesem Augenblick entdeckte sie Benedikt, nur wenige Schritte von ihr entfernt. Er lehnte an der Friedhofsmauer, an der Seite des Altgesellen, mit zusammengekniffenen Augen und verächtlicher Miene. Ihr Herz krampfte sich zusammen.
    «Benedikt!», rief sie und winkte. Er wandte ihr sein Gesicht zu – erstaunt, verlegen und auch irgendwie wütend.
    Sie versuchte, sich zu ihm durchzukämpfen, doch bis sie die Mauer erreicht hatte, waren ihr Sohn und sein Begleiter verschwunden.
    «Benedikt», rief sie erneut, obschon er gar nicht mehr zu sehen war. «Wart auf mich! Mein Junge!»
    Sie begann zu schluchzen. Ein mitfühlender Alter legte ihr den Arm um die Schultern.
    «Komm, Weib.» Er hielt ihr eine Weidenrute hin und nickte dabei aufmunternd. «Auch du wirst Gnade finden, wenn du Buße tust und dich vor dem Herrn erniedrigst.»
    Jetzt erst wurde Clara gewahr, dass sich die Bußleute wieder erhoben und fortgefahren hatten, sich zu geißeln. Dass auch in den Reihen der Zuschauer nicht wenige, darunter sogar Frauen und Kinder, sich mit Ruten, Stöcken und Lederriemen peitschten. Mit erhobenen Armen feuerte der Meister die Menge an: «Tut Buße! Tut Buße! Erniedrigt euch vor dem Herrn, damit er euch von euren Sünden losspreche! Tut Buße, damit es euch nicht ergeht wie den trostlosen Sündern in Basel, von wo wir gekommen sind und wo das Große Sterben nun Einzug hält.»
    Also doch! Clara erstarrte. Dann war das heute von Seiten der Gerberin kein leeres Gerücht gewesen. Die ersten Pesttoten habe es in der nahen Bischofsstadt gegeben, hatte die Frau ihr angstvoll zugeflüstert.
    Wortlos schlug Clara dem Alten die Rute aus der Hand. Während die Geißler unter Glockengeläut und Gesang durch das offene Portal in die Kirche zogen, lief sie los, rannte durch die leergefegten Gassen bis zur Stadtmauer unter dem Burgberg, wo sie Heinrich zu finden hoffte. Er hatte dort heute an einer Wehrübung seiner Zunft teilzunehmen.
    Mit keuchendem Atem hielt sie im Schatten der Stadtmauer inne. Heinrich, in halbem Harnisch und Sturmhaube, umstand mit einigen anderen den Zunftmeister. Ihre Hellebarden und Schwerter hatten sie bereits abgelegt, das Zunftbanner lehnte an der Mauer. Ungeduldig wartete Clara, bis Heinrich sich verabschiedet und zum Gehen gewandt hatte. Dann trat sie ihm in den Weg.
    «Clara! Was machst du hier?»
    Sie zog ihn in eine Toreinfahrt.
    «Die Geißelbrüder sind in der Stadt!»
    «Dacht ich’s mir. Den Lärm hat man bis hier gehört.»
    «Die Seuche – sie sagen, in Basel gibt es die ersten Toten.»
    «Ja, ich hab davon gehört. Du liebe Güte – du zitterst ja.» Er zog die Stirn kraus. «Jetzt beruhig dich, Clara. Das muss nichts heißen. Die Pestilenz ist wie ein verwöhntes Herrenkind: Über die eine Speise stürzt sie sich mit Heißhunger, die andre verschmäht sie. Warten wir erst einmal ab.»
     
    Zwölf Tage blieben die Geißler in der Stadt. Jeden Mittag zogen sie los, mal um den Kirchhof, mal rund um die Stadt, mal hinaus aufs freie Feld. Wieder und wieder bekannten sieöffentlich ihre Sünden, um sich anschließend zur Buße zu geißeln. Mit der Zeit schlossen sich ihnen immer mehr Bürger und Hintersassen an, ja selbst Geistliche. Die Menschen weinten und beteten wie nie, spendeten Geld für Fahnen und Kerzen, boten den Geißlern Obdach und Nahrung, und manch einer trat ihrer Bruderschaft bei. Währenddessen wurden die Worte des Meisters immer drohender. Wer der Botschaft des Himmelsbriefes und ihren Warnungen nicht Glauben schenke, dem werde der Teufel Schwefel, Pech und Galle in den Rachen gießen. Verflucht sei, wer nicht Buße tue und in der Nachfolge Christi dessen Passion durchleide, verflucht sei, wer dem Meister nicht beichten wolle.
    Mit Letzterem hatten die Geißler den Bogen überspannt. Pfarrer Cunrat untersagte dem Messner, den Brüdern fürderhin die Glocken zu läuten oder das Kirchenportal zu öffnen, und seinen Gläubigen verbot er bei Strafe der Exkommunizierung, dem hergelaufenen Laienprediger zu beichten, der zum Spenden des

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