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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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linker Hand, ist das Wirtshaus ›Zum Schwanen‹, von dem ich dir erzählt habe«, bekam der Kastellan lachend zur Antwort. Sie waren beide froh, die vielen Menschen und den Scheiterhaufen hinter sich gelassen zu haben, und freuten sich auf einen kühlen Trunk.
     
    *
     
    Da sich nur 14 Schritte schräg gegenüber des Wirtshauseinganges das östliche Seitenportal der kleinen ›Kapelle zum See‹ befand, schlug Jodok trotz seines Durstes vor, nicht gleich zur Tränke zu gehen, sondern erst dem Herrgott dafür zu danken, dass ihre Reisen bisher fast problemlos verlaufen waren.
    »Außerdem muss ich ja auch noch mein Paternoster beten, um von meiner letzten Sünde befreit zu werden, bevor mir ein Becher Wein zusteht«, scherzte er. Zur Kapelle erzählte er, dass sie ihren Namen daher hatte, weil früher der Bodensee bis hierher gereicht und sich im Laufe der Zeit zurückgezogen hatte.
    Da ist wohl bei Jodoks kurzem Klosteraufenthalt doch etwas hängengeblieben, freute sich der Kastellan, der längst wusste, dass sein neuer Freund ein kluger Kopf war, innerlich. Er wunderte sich aber gleichzeitig darüber, dass der offensichtlich immer durstige Pferdedieb aus eigenem Antrieb das Gebet noch vor der Labung suchte. Merkwürdig, dachte er.
     
    Dafür drängte Jodok nach seinem Zwiegespräch mit Gott umso schneller ins Wirtshaus. Es fiel ihnen auf, dass die Haustür sperrangelweit offen stand und niemand da zu sein schien. Jedenfalls war außer dem altersschwachen Hofhund, der sofort schwanzwedelnd auf Jodok zulief, niemand zu sehen. Dem Kastellan kam es merkwürdig vor, dass sich der Köter seinem Weggefährten gegenüber auffallend zutraulich verhielt, während er sich anknurren lassen musste. Jodok hingegen wunderte sich, dass es hier um diese Zeit totenstill war. Er sah Ulrich stumm an und umklammerte das Heft seiner Waffe. Ulrich verstand und tat es ihm gleich.
    »Wer weiß, was hier geschehen ist«, murmelte Jodok, der das Schlimmste befürchtete. »He, Wirt«, rief er mehrmals hintereinander und blickte sich nach allen Seiten um.
    Vorsichtig betraten sie das Hausinnere, ließen ihre zusammengekniffenen Augen den Flur entlang und die Treppe hochgleiten, bevor sie den Gastraum betraten. Sicherheitshalber sahen sie auch in die hinteren Räume und in die Küche.
    »Es ist niemand da. – Die werden jetzt wohl alle um den Scheiterhaufen herumtanzen und es kaum erwarten können, bis ein vor Schmerzen schreiendes Mädchen vor ihren Augen jämmerlich dem Flammentod erliegt. Vielleicht zeigt sich der Tod ja gnädig, indem er ihr eine schnelle Besinnungslosigkeit durch den Rauch bringt und sie dadurch die Hitze des Feuers nicht mehr spürt«, orakelte Ulrich angewidert, während sie sich an einen Tisch im vorderen Gastraum setzten.
    »Sicher werden die Wirtsleute ihr Haus nicht lange unbeaufsichtigt lassen. Ansonsten wäre dies eine Einladung, die das hiesige Diebsgesindel dankbar annehmen würde.«
    Als er diese Vermutung aussprach, vernahm der Kastellan ein Geräusch. »Hörst du das auch?«
    Jodok zog die Augenbrauen zusammen, streifte sich die strähnigen Haare hinter die Ohren und nickte stumm.
    »Mein Gefühl hat mich nicht getrogen. Hier stimmt tatsächlich etwas nicht«, flüsterte Ulrich. »Hör zu, mein Freund! Die Geräusche kommen zweifellos von oben. Während ich die Treppe hochgehe, sicherst du die Lage hier unten.«
    Jodok nickte wieder stumm.
    Als die beiden sich gerade auf ihre Positionen begeben wollten, hörten sie, wie jemand die Treppe herunterschlich und zweifellos alles daransetzte, nicht gehört zu werden. Jedenfalls schienen die leisen Schritte immer wieder ins Stocken zu geraten, was ihnen verriet, dass die betreffende Person zwischendurch mehrmals regungslos abwartete und ins Erdgeschoss hinunterlauschte, bevor sie weiterging.
    Als Jodok aus dem Gastraum treten wollte, hielt ihn der Kastellan am Ärmel zurück. »Pssst!«
    Sie horchten angestrengt und hörten das Knarzen der schweren Eichenbohlen.
    »Er muss jetzt hier unten sein und kommt auf uns zu«, flüsterte Ulrich so leise, dass es Jodok kaum verstehen konnte. Dabei deutete er seinem neuen Freund, lautlos in den nächsten Gastraum, von wo ebenfalls eine Tür ins Treppenhaus ging, zu schleichen, um die Sache von hinten zu kontrollieren. Kein leichtes Unterfangen für einen schwergewichtigen Hufschmied. Sie wussten beide nicht, um wen es sich handeln könnte. Dafür war ihnen klar, dass jemand, der auf leisen Sohlen durch ein herrenloses Haus

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