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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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schleicht, Dreck am Stecken haben musste. Als der Unbekannte fast auf Höhe der vorderen Gastraumtür war, bogen sich die Bodenbohlen unter Jodoks Gewicht und verursachten ein unüberhörbares Knarzen, das auch der Eindringling hörte.
    Bevor dieser aber Fersengeld geben konnte, trat Ulrich einen Schritt nach vorne und stellte sich ihm in den Weg. Ein verhärmt aussehender Mann von schmächtiger Statur erschrak dermaßen, dass er seinen geschulterten Rupfensack fallen ließ, auf dem Absatz umdrehte und nach hinten flüchten wollte. Dort aber wartete bereits Jodok auf ihn, mit gespreizten Beinen, locker auf seine Doppelaxt gestützt. Der Fremde glaubte, einen riesigen Geist vor sich zu haben, und sah sich ängstlich nach einem Fluchtweg um. Aber auf den ersten Blick schien es keinen zu geben. In die Enge getrieben, jammerte er, dass man ihn laufen lassen möge, weil er doch nur ein kleiner Dieb sei, der ein faules Weib, eine alte Mutter, einen dem Wahnsinn verfallenen Schwiegervater, drei kranke Brüder und zudem zwölf Bälger zu ernähren habe.
    »So, so. Du bist also nur ein kleiner Dieb! Dann wollen wir doch mal sehen, was du erbeutet hast, um damit deine offensichtlich krummbuckelige Familie zu ernähren.«
    Während Ulrich Dreyling von Wagrain mit dem Sack zum Wirtshauseingang vorging, um dort das inzwischen fahle Licht des Tages zu nutzen, stand Jodok mit ernster Miene vor dem eingeschüchterten und wimmernden Häufchen Elend.
    Als der Staufner Schlossverwalter das glänzende Diebesgut aus dem Sack schüttelte, um es zu betrachten, kamen drei Männer und eine Frau auf den Eingang zu. Nachdem die Wirtin ihr feinstes Tafelsilber erkannt hatte, rief sie laut: »Ein Dieb! Ein gottverdammter Dieb! … Packt ihn!«
    Ohne lange zu fackeln, stürzten der Wirt und die beiden anderen Männer auf den offensichtlichen Eindringling zu und nahmen ihn in die Mangel. Der Kastellan hatte nicht die geringste Möglichkeit, sich zu wehren, und musste es sich wohl oder übel gefallen lassen, etliche schmerzhafte Fausthiebe ins Gesicht zu bekommen. Der Wirt und einer der Männer hielten ihn an den Armen fest, während der dritte genüsslich die Ärmel hochkrempelte, um danach den Magen des vermeintlichen Diebes zu malträtieren.
    »Haltet ein«, rief Jodok, der jetzt erst aus dem Dunkel des Treppenhauses hervortrat. »Hier ist der wahre Dieb!«
    Während er sich wieder nach dem scheinbar potenten kleinen Mann umdrehte, um ihn am Schlafittchen zu packen, stellte er fest, dass dieser nicht nur Kraft in seinen Lenden zu haben schien, sondern auch Kraft in den Beinen hatte. Und wendig war er überdies auch noch gewesen. Jedenfalls war er durch eine Hintertür, die über den Schopf nach draußen führte, verschwunden.
    Jodok fluchte, dass die Wände wackelten.
    »So kann nur einer fluchen«, stellte der Wirt fest, trat ins Innere seines Hauses und rief, während er seine Arme ausbreitete, erfreut: »Nepomuk!«
    Da die beiden Männer den Kastellan immer noch festhielten und ihn lauthals anmaulten, weil sie ihn für einen Dieb hielten, und er nicht in Blickrichtung des Hausinneren stand, hatte er nicht gehört, mit welchem Namen sein Freund vom Wirt angesprochen worden war. Zudem sah er auch nicht, wie Jodok dem Hausherrn mit einem Auge zuzwinkerte und blitzschnell einen Zeigefinger auf seine Lippen drückte. Während der Wirt Nepomuk herzlich umarmte und sich offensichtlich freute, ihn wiederzusehen, flüsterte ihm dieser ins Ohr: »Pssst! Sprich bitte leise und lass dir meinem Weggefährten gegenüber nicht anmerken, dass du mich kennst. Ich möchte ihn später noch überraschen. Sag dies auch Anna. … Ach, noch etwas: Ich heiße heute Jodok, nicht Nepomuk.«
    Trotz seiner Irritation nickte sein pausbäckiges Gegenüber. Bevor er den Männern anschaffte, den vermeintlichen Dieb loszulassen, winkte er seine Frau herein, um sie unauffällig über Jodoks merkwürdigen Wunsch zu informieren. Auch sie umarmte den Riesen, während sich der Wirt beim Kastellan für die unsanfte Behandlung entschuldigte und alle Beteiligten in die Gaststube bat.
    »Wer seid Ihr?«, fragte der Wirt.
    Bevor der Kastellan antworten konnte, stellte sich sein Gefährte als Jodok vor. »… und dies ist mein verehrungswürdiger Freund Ulrich Dreyling von Wagrain, der Verwalter des Schlosses Staufen.«
    »Ich bin Leopold, der Wirt, das ist mein Weib Anna und dies sind Dietmar und Eberhard, zwei Hanseaten … oder so etwas Ähnliches. Wo Dietmar herkommt, weiß niemand

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