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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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ihre Treue zur Klostergemeinschaft und zu einem zielstrebigen Wandel des Bösen zum Guten. Sie unterwarfen sich bedingungslos den Anweisungen ihres Abtes Plazidus Vigell und wandelten aufopferungsbereit mit ihm auf den Spuren des Evangeliums. Die alltägliche Feier der Liturgie und der heiligen Eucharistie dokumentierten ebenso, dass Gott die lebendige Mitte ihres klösterlichen Lebens war wie das Stundengebet und die Zeiten des Schweigens, was Mönchen wie Bruder Bernardus oftmals am schwersten fiel. Als Zeichen der Freude an Gott und am Leben wurden im Kloster Mehrerau nicht nur die täglichen Gebete, sondern auch der Gesang des Chorals gepflegt.
    Das göttliche Offizium wurde in lateinischer Sprache nach den liturgischen Büchern des Klosterordens gebetet und gesungen. Klausuren dienten der inneren Einkehr sowie dem Studium der Kirchenlehre und anderer Wissenschaften.
     
    An Klausur war aber heute nicht zu denken. Die Mönche freuten sich, dass sich in ihrem ansonsten ruhigen Alltag endlich wieder einmal etwas rührte. Durch alle Räume wehte ein Hauch ungezwungener Fröhlichkeit, und aus dem Arbeitszimmer des Abtes hörte man schon seit über Stunden lautes Gelächter. Nachdem Plazidus Vigell von Bruder Nepomuks Rückkehr berichtet worden war, hatte er sich mit seinen Gebeten beeilt, um sich mit ihm zu unterhalten. Selbstverständlich würde er seine Pflichten morgen nachholen. Jetzt aber wollte er erst einmal alles vom verloren geglaubten Klostersohn erfahren, weswegen er ihn seit dem ersten Hahnenschrei mit Fragen überhäufte. Nepomuk musste ihm alles über die Zeit fernab des Klosters und über seine Herkunftsrecherchen berichten.
    »Und du hast die ganzen Jahre über einen Vollbart und dieses lange Haar getragen?«, fragte der ehrwürdige Klosterleiter ungläubig. »Schade, dass du ihn heute früh, noch bevor ich dich damit gesehen habe, abrasiert hast. Aber du weißt schon … «, er sah seinen Mitbruder streng an, bevor er weitersprach, »dass du dir von Bruder Hermann auch noch die Haare schneiden lassen musst.«
    Nepomuks trotziger Blick verhieß dem Abt, dass er seinem diesbezüglichen Wunsch noch Nachdruck würde verleihen müssen, weswegen er jetzt nicht näher darauf einging und stattdessen eine weitere Frage stellte: »Sag mir nochmals: Wie hast du Dreyling von Wagrain kennengelernt?« Er amüsierte sich zwar köstlich über die Antwort, die er bereits zum dritten Male hörte, weil er Nepomuk diese Frage ebenfalls schon zum dritten Male gestellt hatte, gedachte aber, dem ihm nicht ganz reuig dünkenden Sünder Nepomuk dafür die Beichte abzunehmen und ihm eine angemessene Buße aufzuerlegen.
    Sie redeten und lachten so lange, bis Bruder Vincenzius an die Tür klopfte und darauf hinwies, dass die siebente Stunde angebrochen sei und es Zeit für die Morgensuppe wäre.
    »Sind unsere Mitbrüder schon alle versammelt?«
    »Ja, ehrwürdiger Abt!«
    »Ist unser Gast auch schon da?«
    »Nein! Wir haben ihn bis jetzt schlafen lassen. Aber sein Sohn Eginhard sitzt schon im Refektorium.«
    »Gut! Dann weiß er noch nicht, dass sein Vater hier ist. Weck den Kastellan!«
    »Wen?«
    Der Abt schüttelte den Kopf. »Na, wen schon? Eginhards Vater! Und nun mach hin! … Wir kommen auch gleich in den Speisesaal.«
    Während der allseits respektierte und hochgeachtete Abt des berühmten Klosters Mehrerau und Bruder Nepomuk auf dem Weg zur Morgensuppe waren, konnte er sich ein paar lästernde Bemerkungen zur langen Abwesenheit des Hünen nicht verkneifen, sagte aber abschließend: »Schön, dass du wieder da bist.«
     
    *
     
    Lachend, Arm in Arm, betraten sie das durch mehrere große Fenster lichtdurchflutete Refektorium. Als Eginhard die beiden sah, wusste er nicht, über was er sich mehr wundern sollte: über die Größe und das angsteinflößende Aussehen des ihm fremden Mannes in Mönchskutte, oder über die ungewöhnlich lockere Art des ansonsten auf Abstand bedachten Ordensleiters.
    »Meine Mitbrüder. Wie ihr mittlerweile sicherlich alle wisst, haben wir einen hohen Gast … Er wird gleich hier sein« , verkündete der Abt freudig.
    »Noch jemand?«, fragte Eginhard, für den auch der Hüne ein Gast war, leise seinen Tischnachbarn.
    Aber anstatt eine Antwort zu geben, hatte der rechts neben ihm sitzende Bruder Andreas große Mühe, ein Kichern zu unterdrücken.
    Eginhard wollte ihn eigentlich noch fragen, warum sein ansonsten links von ihm sitzender Nachbar Josephus schräg gegenüber dort Platz genommen

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