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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Schweineschwarten und die Speckwürste, das Obst und das Gemüse, den Käse, den Schlotter und den köstlichen Bodenseewein schließlich unter Einsatz ihres Lebens hierhergebracht hatten.
    Dass Nepomuk die Zuteilung seinem Freund überließ, war gut so. Dadurch hatte er selbst beide Hände frei und konnte sich auf seine Doppelaxt stützen, während er das aufgeregte Treiben beobachtete. Wenn er nicht mit seiner imponierenden Waffe danebenstehen und vom ebenfalls bewaffneten Siegbert flankiert würde, müssten sie sich keine Gedanken mehr über eine Gleichbehandlung der traurigen Gestalten machen. Die ausgehungerten Menschen würden über den Kastellan herfallen und sich mit Gewalt nehmen, was sie brauchten. Da diese aber merkten, dass er sich sehr um Gerechtigkeit bemühte, und sie es sich trotz anderer Sorgen nicht mit ihm verscherzen wollten, rissen sie sich zusammen und blieben friedlich. Selbst Josen Bueb, Ruland Berging und Hemmo Grob stellten sich stillschweigend in die Reihe und gaben sich, nur unmerklich knurrend, mit dem zufrieden, was ihnen der Kastellan zuteilte.
    Nur eine Person bekam einen größeren Anteil als alle anderen: Die hilfsbereite Frau, die Sarah in den schwersten Stunden ihres Lebens beigestanden hatte und von der niemand wusste, wer sie war und woher sie so plötzlich gekommen war.
    Nachdem sie ihre Ration in Empfang genommen und dem Kastellan dafür dankbar die Hände geküsst hatte, verschwand sie im aufziehenden Nebel.
    Ein Drittel der Wagenladung brachte Nepomuk ins Spital zu Schwester Bonifatia und fast die gleiche Menge behielt er für das Schloss ein. Bei aller Mildtätigkeit nahm er den Wein von dieser Teilung aus.
    »Der Herr teilt das Meer … und das besteht aus Wasser, nicht aus Wein«, rechtfertigte er seine aus Sicht des Propstes wahrscheinlich unchristliche, aber tragfähige Handlungsweise mit einem hintergründigen Lächeln.
    Als ihn Ulrich dafür strafend ansah, merkte Nepomuk noch schnell an, dass dieser Wein von Abt Vigell persönlich gesegnet worden sei und sich auch ideal als Messwein eigne, weswegen er gedachte, dem Propst etwas davon abzugeben.
     
    *
     
    Bruder Nepomuk hatte sich schnell im Schloss eingelebt und war längst mit allen und allem vertraut. Der Kastellan hatte seinem Gast die meisten Räume des Schlosses gezeigt und erzählte ihm viel über die Geschichte dieser altehrwürdigen Mauern. Dabei ließ es sich nicht umgehen, dass sie auch auf den Grafen und dessen Gemahlin zu sprechen kamen.
    »… und jetzt zeige ich dir noch unseren schönsten Repräsentationsraum, den ›Rittersaal‹. Komm! Du wirst staunen. Dich wird nicht nur die für ein Landschloss ungewöhnliche Pracht begeistern, sondern auch die Ahnengalerie der Königsegger.«
    Bevor Nepomuk fragen konnte, ob dort auch ein Gemälde der Gräfin hing, führte Ulrich weiter aus: »Im Rittersaal hängen alle Gemälde der Königsegger und ihrer Gemahlinnen, seit sie die Regentschaft über dieses Gebiet übernommen haben.«
    Nepomuk war neugierig geworden und folgte seinem Freund nur allzu gerne. »In welchem Jahr war das?«
    »Ungefähr 1567, die Übernahme hat sich ein paar Jahre hingezogen«, kam die Antwort des kundigen Schlossführers.
    Schon beim Betreten des Raumes zeigte sich der Mönch mehr als beeindruckt. Er sah sich in aller Ruhe um und trat an eines der großen Südfenster, von wo aus er den großartigen Blick in die Berge genießen konnte. Am meisten jedoch interessierten ihn die Gemälde. Jedenfalls betrachtete er sie alle ganz genau. Vor einem Bild aber blieb er lange wie gebannt stehen. »Wer ist das?«, fragte er den Kastellan.
    »Gefällt sie dir?«
    »Ja! Sie ist wunderschön. Wer ist sie?«, wiederholte er seine Frage.
    »Die Antwort müsste dir eigentlich das Allianzwappen in der linken oberen Ecke des Gemäldes geben.«
    Nachdem Nepomuk endlich verstanden hatte, schaute er fast ein bisschen verlegen drein.
    »Ja, mein unbedeutender Freund Nepomuk«, führte Ulrich mit einem theatralischen Fingerzeig aus. »Dies ist Maria Renata, Prinzessin von Hohenzollern-Sigmaringen, die Gemahlin unseres hochverehrten Grafen Hugo zu Königsegg-Rothenfels, des Besitzers dieses Schlosses.«
    Der Kastellan blickte seinen immer noch verblüfft dreinschauenden Freund erwartungsvoll an.
    »Meine … meine Halbschwester?«, fragte der Mönch leise, während sein Adamsapfel ein paar Mal auf und ab sprang.
    »Ja, Euer Durchlaucht, Fürst Johannes Nepomuk von Hohenzollern«, witzelte der Kastellan jetzt

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