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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Bis man diesen Körper im nächsten Frühjahr findet, bin ich längst über alle Berge. Aber was ist, wenn es noch nicht genügend schneit? Anfang Dezember ist dies nicht sicher. In dieser unwirtlichen Gegend weiß man nie, wann und mit welcher Wucht der Winter hereinbricht, überlegte er.
    Da ihm die Sache zu unsicher war und es ihm sowieso lieber war, sein Opfer noch ein bisschen zu quälen, bevor er Staufen verlassen würde, beschloss er, seine Suche trotz der ungemütlichen Kälte und der Nässe, die ihm zunehmend die Beine hochkroch, fortzusetzen. Und seine Ausdauer sollte belohnt werden: Es dauerte zwar eine Weile, aber er fand Lodewig ein ganzes Stück abseits des Platzes, an dem er ihn bisher vergeblich gesucht hatte.
    »Endlich hab’ ich dich«, brüllte der Totengräber den regungslosen jungen Mann an.
    Als er sich schwer atmend auf sein Opfer setzte, um zu verschnaufen, spürte er, wie sich dessen Brustkorb senkte und hob. Ruland Berging blickte Lodewig ins Gesicht und schlug ihm schließlich so lange mit der flachen Hand links und rechts auf die Wangen, bis er die Augen aufschlug.
    »Du lebst. Umso besser!«, hauchte er dem geschundenen Sohn des verhassten Kastellans ins Ohr.
    Jetzt galt es, den lästig gewordenen Ballast irgendwo zu verstecken. Aber zur Pestkapelle war es noch weit. Während der Totengräber sich nach allen Seiten umsah, fiel ihm die Höhle ein, in der er vor einiger Zeit schon einmal gewesen war, um den kleinen Blaufärbersohn Didrik umzubringen. Es kam ihm wie eine Fügung des Schicksals vor, dass sich diese Höhle nicht nur in unmittelbarer Nähe, sondern auch noch etwas unterhalb seines jetzigen Standpunktes befand. So würde es ihm trotz seiner Schwäche gelingen, Lodewig dorthin zu schleifen.
    »Dort kann ich dich zwischenlagern und morgen immer noch in die Pestkapelle schaffen, … falls du dann überhaupt noch lebst.« Der Totengräber lachte so hässlich auf, dass es über das Weißachtal hallte.
    Von alledem bekam Lodewig, der wieder in eine gnädige Besinnungslosigkeit gesunken war, nichts mit.

Kapitel 46
     
    Der Kastellan zog es vor , sich noch vor Tagesanbruch für die Suche nach seinem mittleren Sohn zu rüsten, anstatt wie geplant zuvor mit den Frauen über dessen Verschwinden zu sprechen. Etwas übernächtigt, machte er sich mit Nepomuk, Ignaz und Rudolph auf den Weg zum Färberhaus, um von dort aus die Suche nach dem Vermissten aufzunehmen. Zuvor aber wollte er noch Lodewigs Wams holen und sich um die tote Frau kümmern. Er hatte sich selbst bereits mehrmals dafür gescholten, dies aus Angst vor der Pest nicht gleich gestern getan zu haben, schob sein Versäumnis letztlich aber auf seine innere Anspannung.
     
    Als die Männer in die düstere Gasse einbogen, in der sie die Tote wähnten, sahen sie im Dunst des Morgennebels, dass sich irgendetwas bewegte. Aber sie konnten nicht gleich erkennen, um was es sich handelte.
    Während sie langsam näher traten, zog der Kastellan seinen Degen. Nepomuk holte seine Doppelaxt hervor und deutete dem unbewaffneten Ignaz zurückzubleiben. Der in Kampfesdingen nicht besonders erfahrene Stallknecht blickte sich nach einem Prügel um, den er notfalls als Waffe würde benützen können, fand aber aufgrund des allgemeinen Holzmangels keinen.
    Derweil tasteten sich die anderen drei so weit vor, bis sie erkannten, weswegen sich Ignaz fast in die Bruche gemacht hätte: Krähen! Ein halbes Dutzend Krähen, die – gierig umkreist von einem klapprigen und offensichtlich geschwächten und feigen Hund – auf der toten Frau saßen und sich so intensiv mit ihr beschäftigten, dass sie die näher kommenden Männer nicht gleich bemerkten. Dementsprechend sah die Frau jetzt auch aus. Offensichtlich war bisher niemand auf den Gedanken gekommen, die Leiche von der Straße zu ziehen und an eine Hauswand zu lehnen, wie es allseits üblich geworden war, wenn sie von Fabio abgeholt werden sollte.
    Nachdem der Kastellan mehrmals in die Hände geklatscht hatte, um die verfressene Meute zu vertreiben, stellte er fest, dass jemand hier gewesen sein musste, der Lodewigs Wams gebrauchen konnte. Jedenfalls fehlte das wertvolle Gewandungsstück. »Kruzitürken noch mal! Die Tote ist noch da, aber Lodewigs Lederwams fehlt«, fluchte er, während er sich suchend nach allen Seiten umblickte. »Ich hätte es vergangene Nacht doch gleich mitnehmen sollen«, bemerkte er mit einem vorwurfsvollen Blick in Richtung Nepomuk.
    »Du hast ja recht«, gab der Mönch

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