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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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gekannt. Als der Totengräber merkte, dass Lodewigs Blick an dem bewegungslosen Körper hing, drohte er ihm mit dem gleichen Schicksal. »Mit diesem Knaben hat die ganze Scheiße angefangen. Ich habe ihn versehentlich anstatt deines jüngeren Bruders getötet.«
    Lodewig verstand den Wert und die Kraft dieser Aussage nicht.
    »Wer ist das?«, fragte er kaum vernehmbar, anstatt das soeben Gehörte zu verarbeiten.
    Ruland Berging brach in schallendes, und von den Wänden hallendes, Gelächter aus: »Na, wer schon? Didrik Opser, der jüngste Sohn des Blaufärbers!«
    Also doch, dachte Lodewig, in dem es trotz seiner Schmerzen zu brodeln begann.
    Während der Totengräber etwas in seiner Tasche zu suchen schien, erzählte er mit unüberhörbarem Triumph, dass er auch Otward, den älteren Bruder des Kleinen, umgebracht habe: »Den habe ich im Entenpfuhl ersäuft. Und dafür, dass er mir dabei ein Auge zerstört und aus meinem Gesicht eine hässliche Fratze gemacht hat, wirst du jetzt büßen. Du wirst bald deinem kleinen Bruder in den Tod folgen«, verkündete er emotionslos. »Und weißt du auch, warum?«
    Jetzt erst vermochten es Lodewigs Gedanken, sich langsam zu ordnen und die Information zu verarbeiten. Ihm schwante Fürchterliches. »Wegen … «, er brachte es kaum heraus, »… wegen der Sache auf dem Kirchhof habt Ihr diese beiden und … «
    »… deinen kleinen Bruder umgebracht«, vollendete der Totengräber die Frage und lachte hämisch auf. »Und jetzt beende ich mit dir das Ganze in aller Ruhe.«
    »Aber wir haben damals doch fast nichts gehört und überhaupt nicht verstanden, um was es gegangen ist«, versuchte Lodewig, den gemeinen Mörder zur Vernunft zu bringen und dadurch sein Leben zu retten.
    Als er dies hörte, stutzte der Totengräber zwar, beendete aber dennoch seine Arbeit und löste den Knoten an Lodewigs Händen. Dies tat er aber nicht, um sein Opfer freizulassen, sondern nur, um sie jetzt vorne zusammenzuschnüren.
    Obwohl der Gefangene einen Moment lang daran dachte, die Gelegenheit zu nutzen, um zu fliehen, verwarf er diesen Gedanken sofort wieder. Selbst wenn es ihm gelänge, den Totengräber mit aller Wucht wegzustoßen, hätte er nicht die Kraft, seiner zuerst Herr zu werden und dann davonzurennen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sich erneut fesseln zu lassen.
    Als der wüste Geselle damit fertig war, schnappte er sich seine Behältnisse und tastete sich zum Höhlenausgang. Dort blickte er sich vorsichtig um, bevor er seinen Gefangenen nach draußen zerrte.
    Auf dem Weg zu dem Ort, an dem Lodewig auf das Grausamste gemartert werden sollte, schwiegen beide. Da weit und breit kein Haus war, musste der Totengräber lediglich an der Hammerschmiede, bei der es noch steiler bergab ging als bisher, darauf achten, von niemandem gesehen zu werden. Obgleich der junge Mann Todesangst hatte, versuchte er nicht mehr, den Totengräber von seinem Vorhaben abzubringen oder gar um Gnade zu winseln. Immerhin war er ein Dreyling von Wagrain!
    Während sie so dahinschlurften, liefen in ihm die Erinnerungen an seinen toten Bruder Diederich ab. Dabei kamen ihm auch die anderen Familienmitglieder in den Sinn: Ob Eginhard wohl bald nach Hause käme? So nach und nach fielen ihm viele gemeinsame Streiche ein, und es huschte trotz seiner bedauernswerten Lage ein Lächeln über sein Gesicht. Irgendwie war er in diesem Moment besonders stolz darauf, der Sohn des adligen Staufner Schlossverwalters zu sein. Lodewig liebte seine Familie … und natürlich Sarah und seinen Sohn, bei denen er gedanklich verweilte. Ihm wurde langsam klar, dass er sie nie wiedersehen würde. Wenngleich ihm durchaus danach war, bedauerte er nicht sich selbst, sondern diejenigen, die bald um ihn trauern würden: »Meine arme Mutter«, entwich es ihm. Was muss sie noch alles mitmachen? Hoffentlich übersteht sie auch das?, sinnierte er traurig.
    »Hör auf zu jammern«, fuhr ihn der Totengräber an und zog so ruckartig am Strick, dass sich Lodewig nicht mehr auf den Beinen halten konnte und stürzte. Da seine Hände eng zusammengebunden und sogar seine Füße so aneinandergefesselt waren, dass er nur kleine Schritte machen konnte, war es unmöglich, sich schnell genug abzustützen. So war es unvermeidbar, mit dem Gesicht so fest auf den Boden zu knallen, dass er sich fast das Nasenbein brach.
    Aber dem Totengräber war das einerlei. Er kannte kein Erbarmen und zerrte sofort wieder am Strick. »Nun komm schon! Zur Kapelle ist es

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