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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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nicht mehr weit«, schrie er den Gepeinigten an, während er immer ungeduldiger wurde.
    Da Lodewig jetzt wusste, wohin er gebracht werden sollte, ahnte er, dass ihn dort Schreckliches erwartete. So hatte er es nicht eilig, an diesen allseits gemiedenen Ort der Toten zu kommen. Selbst wenn er es eilig gehabt hätte, käme er aufgrund seiner schmerzenden Verletzungen und der Fußfesseln nicht schneller voran, auch wenn ihn der Totengräber wie ein Stück Vieh hinter sich herzog. Je fester dieser am Strick zerrte, umso öfter stürzte Lodewig und verzögerte dadurch das ohnehin schon mühsame Vorwärtskommen. Allerdings verhinderte er dadurch unwissentlich, vielleicht gerettet werden zu können.
     
    *
     
    Als sie an die einzige Brücke, die über den Weißachbach führte, gelangten, hörten sie plötzlich Stimmen, die von der gegenüberliegenden Seite des Baches zu kommen schienen. In Lodewig keimte schlagartig Hoffnung, sein Herzschlag begann zu rasen. Als aber der Totengräber auch noch schemenhafte Schatten zwischen den Bäumen jenseits des friedlich vor sich hin gurgelnden Gewässers sah und merkte, dass sein Gefangener schreien wollte, reagierte er blitzschnell und hielt ihm den Mund zu, während er ihn ein Stück zur Seite zerrte. Er schleifte ihn bis zu Wagingers Stadel und schubste ihn rüde dahinter. Indem er zuerst mit dem Zeigefinger an seinen Mund zeigte, dann mit der flachen Hand an seinem Hals entlangfuhr, während er die Zunge herausstreckte und sein gesundes Auge aufriss, deutete er dem auf dem Boden Liegenden, keinen Muckser von sich zu geben, wenn er nicht die Kehle durchgeschnitten haben wollte. Zur Unterstreichung seiner Drohung zog er einen Kurzdolch aus der Scheide, die versteckt an seinem linken Unterschenkel befestigt war. Dies wirkte, und Lodewig nickte als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte.
    Als der Totengräber einen der beiden, die jetzt über die Brücke liefen, erkannte, erschrak er und ging auf Nummer sicher, indem er Lodewig einen so festen Schlag verpasste, dass dieser besinnungslos wurde.
    »Ich hätte dir gleich das Maul stopfen sollen«, murmelte er und zog den schlaffen Körper noch ein Stückchen weiter aus dem Sichtfeld der beiden. Langsam schlich er sich wieder nach vorne bis zu einer Ecke des Stadels, um gleich darauf vorsichtig hervorzuspitzeln.
    Glück gehabt! Wären wir nur ein paar Augenblicke früher an der Brücke gewesen, hätte es gut sein können, dass wir uns mitten auf dem Steg begegnet wären. Wenn wir aber schon auf der anderen Seite des Baches gewesen wären, hätte ich nicht die geringste Möglichkeit gehabt, mich und mein Opfer zu verstecken, freute sich der Totengräber, der auch dankbar dafür sein konnte, dass der wenige Schnee in diesem tief gelegenen Tal nur an den schattigsten Stellen liegengeblieben war. Da der Totengräber sorgsam darauf geachtet hatte, diese Stellen nicht zu betreten, waren kaum verräterische Spuren zu sehen. Hätte es auch hier unten richtig geschneit, würde es einerlei sein, ob man ihn und Lodewig direkt sehen würde – die frischen Spuren hätten sie so oder so verraten.
     
    Da der Kastellan und der riesenhafte Mönch direkt auf ihn zusteuerten, währte die Freude aber nicht lange. »Ich brauche jetzt etwas Abstand von dem, was wir gesehen haben. Lass uns an dem Stadel dort kurz die nährende Kraft der Sonne einsaugen, bevor wir uns weiter auf den Weg ins Dorf hoch machen«, schlug Nepomuk fast ein bisschen pathetisch vor.
    »Aber nur kurz«, willigte der Kastellan schmunzelnd ein. »Trotz der Sonne ist es kalt.«
    Was haben die denn vor?, fragte sich der Totengräber erschrocken.
    Ihm war klar, dass er geliefert sein würde, wenn sie ihn und Lodewig entdecken würden. Während er überlegte, was er jetzt tun sollte, verschwand er hastig hinter dem Stadel. Zum Glück war die morsche Tür unverschlossen und wurde nur mit einem Holzpfahl gegen den total verzogenen Rahmen gedrückt. Um sie öffnen zu können, zog er den Pfahl vorsichtig weg und lehnte ihn seitlich an die Wand.
    Nur kein Geräusch verursachen, bläute er sich ein. Dies gelang ihm zunächst auch. Als er aber Lodewig ins Stadelinnere zog, blieb dessen Beinkleid an einem Nagel der Tür hängen. Der Totengräber musste sein Opfer loslassen, um zu verhindern, dass sie zufiel und dadurch möglicherweise verräterischen Lärm machte. Auch dies glückte ihm gerade noch. Dabei konnte er aber nicht voraussehen, dass der Pfahl die Wand entlang langsam auf den Boden

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