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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Vater, dass sich der geschäftstüchtige Künstler in seiner Eigenschaft als Würzburger Ratsherr im Geist der Reformation verstrickt hatte und nach einem misslungenen Bauernaufstand durch Georg Truchsess von Waldburg-Zeil gefangen genommen und an den Fürstbischof ausgeliefert worden war. Durch diesen Kirchenfürsten sollte der begnadete Künstler in Kerkerhaft gekommen sein. Dabei hatte man ihm beide Hände gebrochen. Da Riemenschneider aufgrund seiner kaputten Hände kaum noch vernünftig hatte arbeiten können und nach seiner Freilassung keinen größeren Auftrag mehr erhalten haben sollte, mochte es sein, dass seine beiden Werke in der Weißacher Pestkapelle doch ein paar Jahre älter waren. Da sie jetzt irreparabel zerstört waren, würden sie darüber künftig wohl kein Zeugnis mehr ablegen können.
    »Und jetzt bist du dran! Du hast zwar keine Aussicht, ebenfalls ein Heiliger zu werden, … dafür aber ein Märtyrer wie diese beiden Holzköpfe«, lästerte der Totengräber, während er auf die überall verstreuten Holzteile zeigte.
    Er holte die Stricke und band je einen an die beiden freigewordenen Haken links und rechts des Chorraumes. Da er dabei immer wieder grinsend zu Lodewig blickte, ahnte der an Leib und Seele Verletzte, was ihn jetzt gleich erwarten würde. Der Menschenschinder zog die Kirchenbank in die Mitte des Chorraumes, direkt vor den Altarsockel. Dann zwang er sein wehrloses Opfer zum Aufstehen und trieb es bis zur einzigen Altarstufe. Lodewig blickte den Totengräber fragend an.
    »Schau nicht so dumm, sondern steig auf die Bank«, befahl der.
    Als Lodewig den Kopf schüttelte, bekam er eine schallende Ohrfeige. Da sich der stolze Sohn des Kastellans weiter begriffsstutzig zeigte, handelte er sich dafür noch eine Ohrfeige ein. Der Totengräber packte ihn am Kragen und holte schon wieder zum Schlag aus.
    »Nein! Bitte nicht«, flehte Lodewig nun doch, während er dem Totengräber die Hände zum Öffnen der Fessel hinhielt, um mehr oder weniger freiwillig auf die Kirchenbank klettern zu können.
    »So ist es vernünftig«, grunzte Ruland Berging zufrieden und löste unsanft den Knoten.
    Lodewig versuchte derweil, das, was von seiner körperlichen und seelischen Kraft übriggeblieben war, zu sammeln. Er konzentrierte sich voll und ganz auf den Totengräber und wartete auf eine günstige Gelegenheit, um zum entscheidenden Gegenschlag auszuholen. Er wusste, dass er nur eine einzige Möglichkeit haben würde, die er nicht vermasseln durfte.
    Also tat er, was er tun musste: Sowie Lodewig die Arme frei hatte, rammte er mit der ganzen Kraft seines geschundenen Körpers den Kopf in die Magengrube seines Peinigers. Der war gerade damit beschäftigt gewesen, das Seil zusammenzurollen, und hatte nicht damit gerechnet, von seinem geschwächten Opfer angegriffen zu werden. Die Wucht, mit der Lodewig den Totengräber packte, ließ diesen rückwärts stolpern und dorthin fallen, wo er selbst kurz zuvor noch gelegen hatte.
    »Jetzt oder nie«, schrie Lodewig heiser, aber zornig, und stürzte sich mit dem Mut der Entschlossenheit und der Verzweiflung mit all seiner verbliebenen Kraft auf den gottlosen Peiniger.

Kapitel 49
     
    »Nein! Tut mir leid . Hier ist er nicht. Warum auch sollte er hier sein, wenn nicht die Pest von ihm Besitz ergriffen hat?«, gab Schwester Bonifatia dem Kastellan zur Antwort, während sie ihren Putzlappen so fest in einen Eimer klatschte, dass es spritzte.
    Der Besucher wollte zurückweichen, war aber zu langsam. »Das habe ich mir schon gedacht. Ich wollte aber bei meiner Suche nach Lodewig nichts unversucht lassen. Immerhin stirbt die Hoffnung zuletzt«, entschuldigte sich der besorgte Vater für die Störung und strich sich die Spritzer von der Gewandung.
    »Mit Gottes Hilfe werdet Ihr den verlorenen Sohn finden«, tröstete die Schwester ihn mit einem abgedroschenen Spruch und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
     
    Obwohl er jetzt schon den zweiten Tag intensiv nach seinem vermissten Sohn suchte, besann sich der Kastellan darauf, dass er immer noch Ortsvorsteher war. So nahm er die Gelegenheit wahr, um sich von der Schwester über den aktuellen Stand im Spital informieren zu lassen.
    »Ich glaube, dass der Spuk vorüber ist, … zumindest aber bald sein wird.«
    »Wie kommt Ihr darauf, ehrwürdige Schwester?«, fragte der Kastellan, gleichsam erstaunt und erfreut.
    »Weil seit fast einer Woche niemand mehr eingeliefert wurde. Außerdem ist hier vor vier

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