Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
Vom Netzwerk:
beschützen konnte. Der Mönch hatte seine Kampfbereitschaft dahingehend demonstriert, indem er lächelnd geäußert hatte, nur darauf zu warten, Eindringlingen seine Doppelaxt spüren zu lassen. Deshalb hatte der Kastellan zugestimmt, beide Wachen an der Suche nach Lodewig zu beteiligen.
    So war das Schlosstor erst zum zweiten Mal seit seiner Amtsübernahme unbewacht, was aber in der rauen Zeit schneller gefährlich werden konnte, als den Schlossbewohnern lieb war.
     
    Siegbert und Rudolph stapften gerade über den feuchten Wiesenrand, der den stark bewaldeten Kapfberg vom Ort trennte. Als sie zum sogenannten ›Kühlen Grund‹ kamen, schlug Siegbert vor, ein Stück weiter zur alten Schießstätte hinunterzugehen, um sie zu inspizieren.
    »Gut! Vielleicht entdecken wir dort eine Spur«, zeigte sich Rudolph einverstanden.
    Aber sie entdeckten nicht das geringste Anzeichen dafür, dass Lodewig hier gewesen oder noch in der Nähe sein könnte. Stattdessen gab es genügend Anhaltspunkte dafür, dass andere hier gewesen sein mussten. Denn sie fanden absolut nichts.
    »Was ist denn hier geschehen? Wo sind die drei Schießhäuschen und der Lagerschuppen?«, fragte Rudolph erstaunt.
    »Das Holz wurde sicherlich als Brennmaterial benötigt«, vermutete Siegbert richtig und wechselte das Thema. »Weißt du übrigens, dass du hier an einem altehrwürdigen Ort stehst, an dem ich schon große Erfolge gefeiert habe?«, fragte er seinen Kameraden mit stolzgeschwellter Brust.
    »Woher soll ich das denn wissen? Und was für Erfolge meinst du?«
    »Das will ich dir gerne sagen«, versprach Siegbert zumindest eine nette Unterhaltung.
    »Das hier ist – entschuldige bitte, war – eine der ältesten Schießstätten des gesamten Allgäus! Hier an dieser Stelle haben die Montforter nachweislich schon vor einem dreiviertel Jahrhundert eine Schießanlage errichtet, auf der sich die besten Schützen des gesamten rothenfelsischen Gebietes gemessen haben. Die Staufner Schützenfeste waren landein, landaus berühmt, weshalb die Schützen oft auch aus Österreich und aus der Schweiz hierhergekommen sind.« Siegbert seufzte. »Leider hat der Krieg die ganze Schützenherrlichkeit zum Erliegen gebracht. Die Spinner erschießen sich jetzt lieber gegenseitig, als im fairen Wettstreit aufs Blatt oder auf eine ausgestopfte Wildsau zu zielen.« Bevor er weitersprach, verzog der Mann traurig das Gesicht: »Leider ist unser Graf kein solch großer Gönner des Freischießens wie sein Vater Georg, in dessen Diensten mein Vater selig einst war.« Die treue Schlosswache bekreuzigte sich schnell, um sofort weiterzuerzählen: »Der Freiherr hat die Staufner Schützenfeste viele Jahre gefördert, bis er selbst erschossen wurde.«
    »Ja, ich weiß, du hast es mir gegenüber irgendwann erwähnt«, unterbrach Rudolph mit wissender Miene.
    Siegbert erzählte weiter und kam dabei ins Schwärmen: »Mein Vater konnte sogar etwas lesen und ein klein wenig schreiben. Er hat mir immer von einer ›Ordnung der Schützen in der Grafschaft Rothenfels und in der Herrschaft Staufen‹ erzählt. Dabei hat er mir auch gesagt, dass diese Verordnung im Jahre … warte, ich muss überlegen … Ich glaube, es war 1559, … erneuert worden ist.
    Da eine Erneuerung immer bedeutet, dass zuvor schon etwas dagewesen sein muss, kann davon ausgegangen werden, dass man hier in Staufen sogar schon vor ungefähr 100 Jahren geschossen hat, … sicherlich unter dem Patronat der Immenstädter Schützengilde«, ergänzte er noch.
    »Aber damals hat es doch überhaupt noch keine Feuerwaffen gegeben«, stellte Rudolph bemerkenswert klug fest.
    »Nicht schlecht! Aber du hast nicht ganz recht. Natürlich war es damals hauptsächlich die Armbrust, die man für Kriegszwecke und eben auch für Schießwettbewerbe genutzt hat. Ein geübter Schütze hat die Wildsau auf eine Entfernung von 150 Schritt mit absoluter Sicherheit getroffen.
    Zu dieser Zeit hatten sich im rothenfelsischen Gebiet aber auch schon die damals neuartige Kugelbüchse und das Feuerrohr durchgesetzt.«
    »Offensichtlich kannst du nicht nur klug daherreden. Du weißt auch erstaunlich viel über dieses Thema. Aber was hat das damit zu tun, dass du hier irgendwelche Erfolge feiern konntest?«
    Siegbert lief jetzt zur Höchstform auf und vergaß ganz, warum sie überhaupt hier waren. »Als Freiherr Georg – der Vater unseres heutigen Regenten – diese Schießstätte vor fast 30 Jahren neu errichten ließ, war ich noch ein ganz junger

Weitere Kostenlose Bücher