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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Tagen der Letzte an der Pest gestorben«, die Krankenschwester bekreuzigte sich, »weswegen alle Lagerstätten frei sind. Das Spital ist leer. Ich glaube, dass wir sogar die Ratten vertrieben haben. Jedenfalls ist jetzt fast alles sauber«, berichtete sie mit einem Anflug von Stolz und hob beide Arme an, um sie seitlich auf ihre Schenkel fallen zu lassen, bevor sie noch sagte: »Warum, glaubt Ihr wohl, habe ich Euch hier herein gelassen?«
    Der Kastellan beugte sich in den Hausflur und sah Lisbeth den Boden schrubben. »Aha. Deshalb wird hier alles geputzt.«
    »Ja. Um der Gefahr neuerlicher Ansteckung entgegenzutreten, reinigen wir alles mit Essigwasser und gelöschtem Kalk. Wer weiß, wo sich das Ungeziefer überall versteckt hat.«
    »Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte der Ortsvorsteher interessiert.
    »Sowie die Pest tatsächlich … «, die schwitzende Schwester hob beschwörend den Zeigefinger, »gänzlich zum Erliegen gekommen ist, werden wir aus dem Spital das machen, wofür es dereinst gebaut wurde: einen Platz, an dem Kranke und Verletzte behandelt und gesund gepflegt werden. Der Kanoniker Martius Nordheim und die von Gott geschickte Lisbeth werden mir zwar dabei helfen, dennoch muss ich mich schleunigst nach einem Medicus umsehen. Vielleicht könnt Ihr mir diesbezüglich helfen? Auf Propst Glatt ist derzeit wohl wenig Verlass.«
    Nachdem Ulrich Dreyling von Wagrain genug gehört hatte, nickte er vielsagend, versprach aber nichts, bevor er sich hastig verabschiedete. In seiner Eigenschaft als Schlossverwalter und Ortsvorsteher konnte er eigentlich zufrieden sein. Als liebender Vater hingegen hatte ihn die Antwort der Schwester alles andere als glücklich gemacht. Dennoch hatte er sich noch bei ihr bedankt »… und für alles, was Ihr hier Gutes getan habt!«
     
    *
     
    Bruder Nepomuk war im Schloss geblieben. Er beteiligte sich dieses Mal nicht an der Suche nach Lodewig, um den verzweifelten Frauen beistehen zu können.
    Nur mit seiner Hilfe war es Judith Bomberg gelungen, ihre Tochter davon abzuhalten, ins Dorf hinunterzurennen, um sich einem der Suchtrupps anzuschließen. Den Säugling hatte ihr Sarah schon in die Arme gedrückt, um losrennen zu können. Aber Nepomuk hatte sie festgehalten und von ihrem Vorhaben abgebracht. Während alle anderen Schlossbewohner ausgeschwärmt waren, um jeden Stein umzudrehen, hielt der Mönch für den hier verbliebenen Rest der Familie eine kleine Messe in der Schlosskapelle.
    Auch wenn Sarah zum katholischen Glauben übergetreten war, gab ihr das christliche Zeremoniell noch nicht besonders viel, lenkte sie aber doch etwas ab. Propst Glatt wollte eigentlich schon längst mit ihr ein letztes Mal in Klausur gegangen sein und ihr den Katholizismus auch noch bis ins kleinste Detail nähergebracht haben. Aufgrund der Pest und der ständigen familiären Probleme bei den Bombergs und bei den Dreylings von Wagrain hatte der Schluss von Sarahs Religionsunterricht aber immer wieder verschoben werden müssen. Auch wenn der Priester ihr vor der Konvertierung in stundenlangen Vorträgen und Gesprächen den Katholizismus eingebläut hatte, war er noch nicht ganz zufrieden mit dem, was die gelehrige junge Frau inzwischen darüber wusste … oder wissen wollte. Vielleicht mochte er es aber auch – nachdem er derzeit keinen anderen Schüler hatte und zudem von den anderen als Feigling hingestellt worden zu sein – einfach nur auskosten, endlich wieder jemanden belehren zu können und selbst jemand zu sein.
    Während die anderen das ›Vaterunser‹ murmelten, betete Sarah still und heimlich zu ihrem alten Gott Jahwe. Dabei scherte sie sich nicht um das, was seit ihrer Hochzeit von ihr erwartet wurde, und überließ es den anderen, zur Heiligen Dreifaltigkeit zu beten. Hauptsache, Gott würde helfen! Ob der Gott der Juden oder der Gott der Christen Lodewig beschützen würde, war ihr letztlich einerlei.
    »O Herr, ich bitte dich mit der ganzen Kraft meines Herzens: Bring mir meinen Geliebten zurück. Bitte!« Dabei kullerten schon wieder Tränen über ihre geröteten Augenlider.
    Da Judith aus eigener leidgeprüfter Erfahrung heraus wusste, dass Tränen lauter sein können als jeder Schrei, legte sie sanft einen Arm um ihre Tochter. Judith merkte, dass sich Sarahs innerliche Erregung ins Unerträgliche zu steigern drohte. Sie drückte ihre Tochter fest an sich. Als wenn es ein Zeichen des ewigen Bundes dreier geplagter Frauen wäre, legte auch Konstanze ihren Arm um das Mädchen.

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