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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Nachdem sie noch ein Weilchen gekuschelt hatten, versteckten sie die Wolldecken unter dem Heu und machten sich glücklich auf den Heimweg.
     
    *
     
    Der Totengräber wartete immer noch auf eine günstige Gelegenheit, um Diederich und Lea ins Wasser stoßen zu können. Da er allerdings in der Ferne etwas gehört hatte, was er zwar nicht als Lustschrei einer Frau identifizieren konnte, war er dennoch vorsichtiger geworden, als er dies sowieso schon gewesen war. Fast ängstlich blickte er sich nach allen Richtungen um, konnte aber keinerlei Bedrohung für sich und sein Vorhaben ausmachen. Nur noch ein paar Fuß weiter, dann krümmt sich das Gewässer und wird zunehmend breiter und tiefer. Ideal, dachte er und konnte es kaum erwarten, dass die Kinder die ausgewaschene Biegung des Baches erreichen würden.
    Angestrengt blickte er sich mit seinem verbliebenen Auge nach allen Richtungen um. Trotz der Voraussage der Bühler Herbaria war das Auge doch nicht geheilt und trübe geworden.
    »Nur noch ein Stückchen«, murmelte er in seinen inzwischen wieder gewachsenen Bart, der fast alle seine hässlichen Narben verdeckte. Lediglich sein schiefes Maul konnte aufmerksamen Beobachtern auffallen, da ihm seit seiner Mundverletzung ständig der Speichel heruntertroff. Aber der Fiesling hatte Mittel und Wege gefunden, nicht nur seine Narben an Hals und Wangen, sondern auch seine Mundverletzung vor allzu neugierigen Blicken zu verstecken. So hatte er sich angewöhnt, niemanden näher an sich heranzulassen als drei Schritte.
    Da sich dem Totengräber aufgrund seines Berufes sowieso niemand allzu sehr nähern wollte, hatte er damit auch keine Probleme. Jetzt allerdings musste er sein Gesicht nicht verbergen.
    Es wird wohl das Letzte sein, das die Kinder – wie einst der unter dem Galgen stehende Medicus – zu sehen bekommen, dachte er, während er auf Lea und Diederich wartete.
    Aber es schien noch zu dauern, bis die Kinder ihre Richtstätte erreichen würden. Sie entdeckten dort, wo sie gerade standen, etwas Interessantes und hielten sich ein ganzes Weilchen an dieser Stelle auf. Dort blieben sie so lange, bis Diederich, dem Bachlauf folgend, zur Bachbiegung zeigte, Lea am Arm packte und sie mitzog.
    »Siehst du, Lea? Dort vorne ist ein Gumpen !«
    »Endlich«, grummelte der aufgeregt nach allen Seiten blickende Totengräber.
    »Sie gehen weiter. Nur noch ein paar Schritte, dann … «

Kapitel 4
     
    Propst Glatt hatte so viele Fragen an seinen Freund Ulrich gehabt, dass sich ihr Gespräch mit dem Kanoniker Martius Nordheim bis in den frühen Nachmittag hinein gezogen hatte.
    So lohnte es sich für den Kastellan nicht mehr, seinen Leuten auf den schlosseigenen Kapfberg und in den Wald zu folgen, um ihnen bei der Arbeit zu helfen. Bis dorthin konnte man nicht reiten, und er würde für den Weg zu ihnen mindestens zwei Drittel eines großen Glockenschlages benötigen. Außerdem wusste er nicht, in welchem Teil des Waldes sie gerade arbeiteten, und würde sie erst noch suchen müssen. Dies gelänge ihm zwar durch lautes Rufen, das er zum Schutz der Waldtiere aber vermeiden wollte.
    Die wissen, was sie zu tun haben, dachte er gelassen.
    Außerdem konnte er sich voll und ganz darauf verlassen, dass sein Knecht Ignaz den ansonsten nicht gerade als übereifrig einzustufenden Rudolph fest im Griff hatte und dafür sorgte, dass die Arbeit gut voranging, obwohl Rudolph mit seiner angestammten Arbeit als Schlosswache schon heillos überfordert war. Deswegen beschloss der Kastellan spontan, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und den angebrochenen Nachmittag dafür zu nutzen, um zum Siechenhaus zu reiten. Er wollte Nägel mit Köpfen machen und Schwester Bonifatia noch an diesem Tag den Vorschlag unterbreiten, nach Staufen zu ziehen und als Leiterin des Spitals in die Dienste des Propstes zu treten.
    Als er ortsauswärts ritt, sah er keinen einzigen Menschen. Erst ein ganzes Stück vor dem Dorf kamen ihm Sarah und Lodewig, denen es nicht gelang, ihre Hände so schnell voneinander zu lösen, dass es der Vater nicht mehr sah, entgegen. Lächelnd zügelte er sein kohlrabenschwarzes Pferd, das wegen der Farbe seines Felles den Namen ›Rabe‹ trug, und stieg ab, um die beiden zu begrüßen und um sich ein wenig mit den Turteltauben zu unterhalten.
    »Wo reitest du hin, Vater?«, lenkte Lodewig ab, während Sarah einen züchtigen Knicks machte.
    »Zum Siechenhaus«, antwortete der schmunzelnde Reiter, während er seine Antwort in eine Frage

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