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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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füllen, die er beim letzten Mal einzeln neben die Aushübe gelegt hatte. Doch zunächst kam die schwierigste Arbeit: die zu Haufen gestapelten Pestopfer mussten irgendwie voneinander getrennt werden. Erst dann könnte er sie zu den Gruben ziehen und dort einigermaßen ordentlich ablegen. Da die Leiber mittlerweile zu matschigen Klumpen verklebt waren und sich daran nicht nur die Maden zu schaffen machten, war es eine unvorstellbar ekelerregende Arbeit. Aber irgendwie schaffte es Fabio mit Hilfe der Schaufel, die Leiber zu trennen und damit die Gruben zu füllen.
    Bei dieser besonders widerlichen Tätigkeit lenkte er sich ab, indem er fortwährend an die eineinhalb Gulden in seiner Tasche und an das, was er damit tun würde, dachte. Zusammen mit dem, was er im Laufe der Zeit für seine Arbeit vom Totengräber bekommen hatte und was ihm der Propst, der Kastellan und einzelne Hinterbliebene zugesteckt hatten, von dem der Totengräber nichts wusste, war – ohne auch nur einen einzigen Heller zu klauen – ein inzwischen schönes Sümmchen zusammengekommen.
    Ja, damit lässt sich fürwahr ein neues Leben aufbauen, rechnete er sein kleines Vermögen zusammen und sinnierte weiter.
    Zuallererst wollte er in eine größere Stadt weiterziehen und in einem öffentlichen Badehaus seinen lästig juckenden ›Untermietern‹ kündigen. Frisch entlaust und gewaschen, würde er sich mit einer ordentlichen Gewandung herausputzen und auf Brautschau gehen. Sicher würde es in Immenstadt eine holde Maid geben, die ihr künftiges Leben mit ihm zu teilen gedachte, sowie er ihr den Inhalt seines Geldbeutels zeigte. Wenn er in der rothenfelsischen Residenzstadt kein Glück haben sollte, könnte er bis zum Fürststift Kempten oder nach Füssen weiterziehen, um in einer dieser modernen Städte eine brave Jungfrau zu finden. Sollte sich die holde Weiblichkeit nicht für ein Dasein in absoluter Freiheit interessieren, würde er wohl oder übel doch noch sesshaft werden müssen. In diesem Falle würde er sich hier oder dort als städtischer Leichenbestatter bewerben und ein friedliches und ehrbares Leben führen können.
    Obwohl sie nicht gerade zu seiner Leidenschaft geworden war, beherrschte er diese Arbeit mittlerweile wie kein anderer weit und breit – nur klauen konnte er noch besser, was er allerdings jetzt nicht mehr tat. Dass er Tote unter den widrigsten Umständen unter die Erde bringen konnte, hatte er hinreichend bewiesen.
    Die Arbeit als städtischer Leichenbestatter, wie Totengräber dort feiner bezeichnet wurden, war sicherlich ein Klacks gegen das, was er im Moment gerade tat. Die Beerdigung ›normal‹ Verstorbener dürfte im Vergleich zu seiner jetzigen Arbeit eine geradezu angenehme Betätigung sein. Vielleicht könnte er sich dadurch sogar eine kleine Existenz mit Bürgerrecht, eigenem Häuschen und einem Garten davor aufbauen, heiraten und viele Kinder zeugen.
     
    Wie er so vor sich hin träumte, fiel ihm ein, dass er dem Werkzeugmacher versprochen hatte, dessen Weib ein Begräbnis erster Klasse zu geben. Da der momentan überaus fleißige Bursche zwar ein Schlitzohr, aber im Grunde seines Herzens kein böser Mensch war, hielt er sich an sein gegebenes Wort und schaufelte für die letzte Pesttote Staufens, die er unter die Erde bringen musste, ein Einzelgrab. Auch Fabio konnte nicht wissen, dass es sich dabei tatsächlich um das allerletzte Pestopfer Staufens handelte. Er wählte für sie eine Lage abseits der anderen Gräber aus.
    »Wenn schon, denn schon«, sagte er augenzwinkernd zur eingenähten Toten und gestand ihr ein besonders sonniges Plätzchen mit Blickrichtung zur Bergkette zu. Dabei fiel ihm auf, dass die Frauenleiche in dem eingenähten Rupfenstoff ungewöhnlich leicht war. »Merkwürdig! … Aber was soll’s«, murmelte er und machte sich keine weiteren Gedanken darüber.
    Bevor er sich auch noch an die Herstellung eines Feldkreuzes machte, ging er noch einmal zum Weißachbach hinunter, um sich den ganzen Schweiß, den Dreck und den Gestank des Tages mit feinem Bachsand abzuwaschen. Dabei musste er – was ja nicht ungewöhnlich war – eiskaltes Wasser in Kauf nehmen. Auf dem Rückweg sammelte er am Waldesrand die passenden Hölzer für das Grabkreuz auf. Jetzt saß er an die Mauer der Pestkapelle gelehnt und wickelte einen Strick um zwei dicke Äste.
    Wenn ich damit fertig bin, habe ich den ganzen Mist für alle Zeiten hinter mir und kann endlich aus diesem Nest verschwinden, dachte er wieder und

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