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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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seine Brüder Diederich und Eginhard zu sehen, wie sie als Kinder zwischen den Holzteilen saßen und damit spielten.
    Auch sie waren von einem mystischen Weiß umhüllt und ganz in Weiß gewandet. Überhaupt war alles angenehm weiß. Die Wände, die Decke, der Boden. Sogar die Holztür. Nur die Holztrümmer der Heiligenfiguren und die Sockel, auf denen sie gestanden hatten, hoben sich in einem – aus Lodewigs Sicht – ebenfalls unangenehm dunklen Ton davon ab, wie es Didriks Augenhöhlen und dessen schmutzige Gewandfetzen getan hatten. Dass die Sockel mit goldenen Streifen bemalt waren, die für einen Moment von den allerletzten Sonnenstrahlen des Tages zum Glänzen gebracht wurden, änderte nichts an Lodewigs Sichtweise. Sie verhießen ihm irgendetwas Schreckliches, auf das er jetzt aber nicht kam, so sehr er sich auch zu besinnen versuchte. Er hatte eine unangenehme Erinnerung an die hölzernen Bildnisse des Heiligen Sebastian und des Heiligen Rochus. Woran sie ihn erinnerten, wusste er allerdings nicht und wollte es eigentlich auch gar nicht wissen.
    Zu sehr genoss er all das, was er ansonsten vor sich sah. So wie sie es früher immer getan hatten, mochte auch Lodewig mitspielen und streckte sich seinen Brüdern entgegen. Dabei rutschte er – was er mit fast übermenschlichen Kräften seit Beginn seiner misslichen Lage hatte verhindern wollen – von der Kirchenbank herunter und stieß sie um. Krachend fiel sie die Altarstufe hinunter auf die sowieso schon demolierten Holzfiguren. Der Lärm wurde von einem markerschütternden Schrei begleitet. Die Rechnung des Totengräbers war aufgegangen: Lodewig hing jetzt mit ausgekugelten Armen an den Seilen, während seine Füße gerade noch auf dem Boden unterhalb der Stufe Halt fanden. Obwohl es den leblosen Körper langsam nach unten zog, spürte Lodewig keine Schmerzen mehr. Jetzt war nichts mehr weiß. Alles um ihn herum hüllte sich in ein tiefes Schwarz … und es war wieder still. Ganz still. Totenstill und nur noch schwarz.

Kapitel 53
     
    Nachdem der Kastellan b eim Moosmannhof angekommen war, eilte er sofort zum Stall und öffnete hastig den oberen Teil der Flügeltür. Weil er kein Pferd sah, riss er auch den unteren Flügel auf und durchstreifte den Stall. Er nahm zwar den typischen Geruch eines Pferdes wahr, fand es aber ebenso wenig wie das Sattelzeug, von dem Ignaz und Rosalinde berichtet hatten. Dafür entdeckte er noch leicht dampfende Pferdeäpfel auf dem Boden.
    »Verdammt! Der Schimmel war bis vor Kurzem noch hier«, fluchte er. Als er nach draußen eilte, um sich weiter auf dem Hof umzusehen, kam ihm der Bauer schreiend und – wie schon bei den letzten Besuchern – Mistgabel schwingend entgegen. Schon von Weitem drohte er dem ungebetenen Besucher, ihn die eisernen Gabelspitzen spüren zu lassen, wenn er nicht schleunigst seinen Hof verließe. Erst als er vor dem Kastellan stand, erkannte er den Eindringling und ließ das bäuerliche Arbeitsgerät fallen, während er demütig seinen Kopf senkte: »Verzeiht, Herr. Ich konnte nicht wissen, dass Ihr es seid.«
    »Ja, ja, schon gut. Sagt mir lieber, wo das Pferd ist, das in Eurem Stall war.«
    Der Bauer traute sich nicht, seinen Kopf zu heben, und schaute den Kastellan nur von unten herauf an.
    »Was ist? Hat’s Euch die Sprache verschlagen?«
    »Nein, Herr, aber … ich weiß nichts von einem Pferd.«
    »Was sagt Ihr da? Ihr wisst nicht, dass noch vor einer guten Stunde ein Schimmel in Eurem Stall stand?«
    »Nein, Herr!«
    Der Kastellan zeigte zur Pferdebox und fragte den Bauern, woher die frischen Hinterlassenschaften auf dem Boden kämen.
    Der verdreckte Mann zuckte mit den Schultern und tat so, als hätte er keine Ahnung, wovon der Schlossverwalter sprach.
    »Ihr bleibt also dabei, dass hier kein Pferd stand?«
    Der Bauer nickte.
    »Bleibt Ihr auch dabei, wenn ich Euch mitnehme und zur ›Peinlichen Befragung‹ unserem Folterknecht übergebe?«
    Der Bauer nickte zwar nicht mehr so deutlich, aber er nickte wieder.
    »Jetzt wird es mir aber zu dumm«, schrie der Kastellan, packte den Kerl am Kragen und zerrte ihn in den Stall, wo er auf den Boden zeigte: »Und?«
    Nachdem sich der Bauer nicht rührte, wurde er mit dem Gesicht in die Pferdeäpfel gedrückt.
    »Kalt oder warm?«, wurde der Bauer, dessen Nase so fest in der noch frischen Hinterlassenschaft steckte, dass er kaum noch Luft bekam, gefragt.
    Als der Kastellan seinen Kopf losließ, nuschelte der Bauer etwas Unverständliches.
    »Was habt

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