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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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besinnungslos werden ließ. Da ihn Fabio unbedingt auf die Ladefläche des Karrens hieven musste, solange er aufgrund seiner Besinnungslosigkeit keine Schmerzen spürte, war Eile geboten. Auch wenn er sich nichts mehr wünschte, als den jungen Herrn bei Bewusstsein zu sehen, wäre es jetzt doch der falsche Zeitpunkt für ihn aufzuwachen – zumindest so lange, bis er auf dem Karren lag, den sich Fabio jetzt zu holen beeilte. Damit der geschundene Körper nicht so hart liegen sollte, riss Fabio hastig im Umfeld der Stelle, an der Lodewig lag, büschelweise Gras aus dem Boden und verteilte es gleichmäßig auf der Ladefläche, bevor er ihn zum Karren trug.
    Wäre der Schwerverletzte bei Bewusstsein, würde er augenblicklich vor Schmerzen schreien.
    Da Fabio sanft die zwei Stricke, die Lodewigs Zustand mit herbeigeführt hatten, um den Körper des Verletzten geschlungen hatte, um darunter die ausgekugelten Arme zu fixieren, gelang es ihm, den geschundenen Leib auf den Karren zu heben, ohne dessen lädierte Arme unnötig zu strapazieren. Meine bisherige Arbeit kommt mir zugute, dachte er sich dabei.
    Nachdem Lodewig der Länge nach auf der Ladefläche lag, rannte Fabio zur Kapelle zurück, um den Wasserkrug zu holen.
    Als er den Karren am ersten Bauernhof vorbeizog, öffnete sich die Haustür einen Spalt weit und der Landmann streckte vorsichtig seinen Kopf heraus.
    »Seit wann fährst du die Pesttoten vom Gnadenacker weg, anstatt sie dorthin zu bringen?«, fragte er Fabio misstrauisch.
    »Dies ist zwar der Leichenkarren, aber es liegt keine Leiche darauf, du Narr. Das ist Lodewig, einer der Söhne des gräflichen Schlossverwalters. Überdies habe ich heute die letzten Pesttoten vergraben. Helft mir lieber, anstatt dumme Fragen zu stellen. Ich muss den Verletzten so schnell wie möglich ins Schloss bringen und weiß nicht, ob ich den steilen Weg hoch allein schaffe. Wie Ihr selbst so trefflich festgestellt habt, ziehe ich den Karren normalerweise ohne Fracht nach oben. Dummerweise bin ich gerade heute ganz besonders erschöpft und zudem auch noch verletzt. Wenn Ihr mir also helfen könntet, wäre ich Euch dankbar. Ihr tätet dies weniger für mich als für die Familie des Kastellans.«
    Da der Bauer schlau war und wusste, dass es nicht schaden konnte, wenn er einem hochrangigen Beamten des Grafen zu Gefallen wäre, überlegte er nicht lange. »Also gut. Aber nur, wenn du mir nicht zu nahe kommst … Was soll ich tun?«
    Fabio fiel ein Stein vom Herzen. Jetzt wusste er, dass er es mit etwas Glück schaffen konnte, Lodewig sicher ins Schloss zu transportieren. Ob ihm dies allerdings auch rechtzeitig gelingen würde, vermochte er nicht zu beurteilen.
    »Damit Ihr nicht mit mir in Berührung kommt, geht Ihr am besten nach hinten. Während Ihr den Karren schiebt, könntet Ihr darauf achten, dass der Verletzte nicht herunterrutscht und dass der Wasserkrug stehen bleibt. Wir benötigen das Wasser, um dem jungen Herrn zwischendurch die Lippen zu nässen und die Stirn zu kühlen«, gab Fabio die Handhabung vor und erreichte damit, dass sich der Bauer jetzt ganz aus dem Haus traute. »Jesus und Maria! Wie sieht der denn aus? Wer hat ihm das angetan?«
    »Wenn Ihr als ›Nachbar‹ des Pestfriedhofs das nicht mitbekommen habt, woher soll ich das dann wissen? Wollt Ihr weiterhin dumme Fragen stellen oder endlich mit anpacken? Und bringt eine Fackel oder Kerzen mit! Es beginnt langsam zu dunkeln«, entgegnete Fabio, der aufgrund seines ehemaligen ›Berufes‹ als Dieb neugierige Leute nicht ausstehen konnte, unwirsch.
    Nachdem der ängstliche Bauer sich vergewissert hatte, dass es tatsächlich kein Pesttoter war, der da auf dem Karren lag, begab er sich wie geheißen an den hinteren Teil des Karrens und rief seiner Frau zu, sie solle zwei Spanhalter und etliche Brennspäne herausbringen. Nachdem dies geschehen war und die Spanhalter hinten und vorne am Karren befestigt waren, rief er ihr zu, dass sie ihm noch eine Wolldecke zuwerfen solle und er schon bald nach Einbruch der Dunkelheit zurück wäre. Anstatt dies zu tun, brachte die Bäuerin, die offensichtlich nicht so feige war wie ihr Mann, die Decke und legte sie vorsichtig auf Lodewig, dem sie ein Kreuz auf die Stirn zeichnete, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Schwerverletzte sicher verschnürt auf der Ladefläche lag und gut zugedeckt war.
    »Euer Weib scheint mir mutiger zu sein als Ihr«, konnte sich Fabio trotz der Dankbarkeit dem Bauern gegenüber nicht

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