Der Peststurm
Leibdiener anbelangt, so sind diese die Einzigen, die hier sind. Alle anderen sind auf direktem Wege nach Immenstadt weitergereist. Wir verzichten hier sogar auf den Küchenmeister, den in Immenstadt viel Arbeit erwarten dürfte, da Wir schon in vier Tagen eine kleine Gesellschaft geben möchten, bei der Wir Ihn bitten, zugegen zu sein.«
Ohne dem Propst die Möglichkeit zu geben, sich zu bedanken und zu verneigen, fuhr der Graf, dem Kastellan zugewandt, fort: »Hat Er gehört, dass Wir keinen Küchenmeister dabeihaben? Wir gehen davon aus, dass Uns Seine liebreizende Frau Gemahlin eine Kleinigkeit zubereiten lassen kann, bevor Wir Uns danach sofort in Unsere Gemächer zurückziehen.«
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Nachdem sie im Gelbschwarzen Streifenzimmer gespeist und sich, entgegen des gräflichen Vorsatzes, stundenlang bei reichlich Wein unterhalten hatten, wussten die Erlauchten über das, was sich in den letzten Monaten in Staufen ereignet hatte, genauestens Bescheid.
»Wir haben von Speen mehrere Sendschreiben bekommen, in denen er Uns die Situation in Zusammenhang mit der vermeintlichen Pest und den Taten des ruchlosen Arztes geschildert hat. Sehr gerne wären Wir bei der Gerichtsverhandlung persönlich zugegen gewesen. Aber just an diesem Tag kam eine Delegation aus dem österreichischen Feldkirch nach Konstanz, um Verhandlungen mit Uns zu führen, die keinen Aufschub geduldet haben. Aber Wir lassen Uns noch etwas einfallen, um die geschundene Bevölkerung Staufens aufzuheitern. Vielleicht stiften Wir sogar eine Fahne mit Umzug und ein Festmahl für die ledigen Burschen des Dorfes. Was meint Ihr, werter Glatt?«
Mit vorgehaltener Hand fügte er dem Kastellan gegenüber noch leise an: »Die jungen Männer müssen schnell wieder zu Kräften kommen, um für Nachwuchs sorgen zu können, der wiederum die Abgaben an Uns sichert.«
Kapitel 6
In den vergangenen drei Tagen war dem gräflichen Zeremonienmeister durch Oberamtmann Speen viel unangenehme Arbeit aufgebürdet worden. Der Lackaffe hatte dafür zu sorgen, dass nicht nur die Untertanen in der Residenzstadt selbst, sondern auch die in den umliegenden kleinen Weilern Akams, Bräunlings, Bühl, Diepolz, Eckarts, Rauhenzell, Werdenstein, Stein und Zaumberg lebenden Menschen allesamt von der Rückkehr ihres Herrn erfahren würden, damit sie sich im Oberamt melden konnten, falls sie triftige Gründe vorzuweisen hatten, um mit ihren Anliegen oder Beschwerden zum Grafen vorgelassen zu werden. Zu den weiter von Immenstadt gelegenen Ortschaften der Grafschaft würde es sich dann schon herumsprechen, dass Seine erlauchte Herrschaft, der Graf zu Königsegg, wieder im Allgäu weilte. Wem eine Audienz gewährt wurde, oblag allein Oberamtmann Speen, der sich von Fall zu Fall mit Stadtammann Zwick absprach. Insgesamt durften es am Tag nicht mehr als vier pro großem Glockenschlag sein. Bis zum Fest sollten also insgesamt nicht mehr als 24 Leute zum Grafen vorgelassen werden.
»Zwei Stunden am Tag für mein geliebtes Volk werden genug sein. Und, dass Er Untertanen verschiedener gesellschaftlicher Ränge auswählt«, hatte der Regent schon am ersten Tag seines Hierseins Speen gegenüber angeordnet. Die restliche Zeit wollte er damit verbringen, sich die wichtigsten offiziellen Berichte seiner Amtsleiter und des Hauptmannes der Stadtgarde, Benedikt von Huldenfeld, anzuhören, wobei auch noch der Stadtpfarrer und ein paar andere Pfaffen dazwischengeschoben werden mussten. Alles andere würde er von den geladenen Gästen bei der mittlerweile fest geplanten Feier erfahren. Die straffe Einteilung des Begrüßungsfestes oblag ebenfalls dem eingebildeten Zeremonienmeister, der zudem auch umsichtig terminieren musste, wenn es um die schnelle Aburteilung kleiner Gauner ging, denen allesamt die Gnade des Herrn widerfahren würde, sofern sie keine Kapitalverbrechen begangen hatten und glaubhaft gelobten, fürderhin gesetzestreu zu leben. Der Graf wollte alles Lästige möglichst schnell hinter sich bringen, um sich nach dem Begrüßungsfest den wirklich wichtigen Aufgaben widmen zu können. So hatte der eine oder andere Halunke das Glück, sogar freigelassen zu werden, obwohl er es verdient hätte, eine gewisse Zeit lang in der Fronfeste über dem Schollentor zu darben, damit er ungestört über seine Verfehlungen nachdenken konnte.
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Endlich war es so weit und dem Zeremonienmeister oblag eine angenehmere Aufgabe: Das vom Grafen gewünschte Fest begann. Während er mit seinem
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