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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Marschallstab jeweils zweimal auf den Boden klopfte, proklamierte er – ganz nach höfischer Manier – die Namen und Titel oder Berufe und Würden der eintretenden Gäste, unter denen sich Stadtammann und Landrichter Hans Zwick, Stadtpfarrer Conrad Frey und Gardehauptmann Benedikt von Huldenfeld befanden. Selbstverständlich waren auch die umliegenden Adelsgeschlechter – vertreten durch Johann Joachim von Laubenberg zu Rauhenzell, Franz Apronian Pappus von Tratzberg, Hans von Werdenstein und einige Niederadlige – dabei. Es waren auch Vertreter der ehrwürdigen Kaufleute und aller Handwerkszünfte mitsamt ihren ehrsüchtigen Weibern eingeladen. Dazu kamen noch einige der von Oberamtmann Speen zugesagten bürgerlichen Paare aus der Residenzstadt und die kleine Delegation aus der Herrschaft Staufen.
    Unter den 63 illustren Gästen befanden sich zwar auch einige besonders angesehene Vertreter verschiedener Zünfte, aber kein Einziger, der die große Masse der Untertanen vertreten würde. So weit ging die für einen Despoten sowieso schon ungewöhnlich enge Beziehung zu seinem Volk nicht, um auch noch Bauern, die sich vermutlich zwar gewaschen hätten, aber dennoch wie die Schweine stinken würden, bei seinem Fest dabeihaben zu wollen.
     
    Ziel dieser hochgräflichen Einladung war es, von verschiedenen Seiten möglichst viel darüber zu erfahren, was sich seit seiner Abwesenheit zugetragen hatte und wie die Stimmung in der Grafschaft war. Obwohl er zuweilen mehrmals das Gleiche zu hören bekam, war Graf Hugo mit der Fülle an Informationen, die er während des Festgelages zwischen allerlei entfleuchenden Leibeswinden zu hören bekam, zumeist hochzufrieden, selten aber mit deren Inhalten.
     
    Das Bankett konnte sich sehen lassen. Dass die Freuden der Tafel zu den ältesten Vergnügen der menschlichen Zivilisation und Kultur gehörten, zeigte sich – obwohl es für das Volk eine brotlose Zeit war – nun auch in Immenstadt.
    Es hatte sich als gut erwiesen, dass der Küchenmeister einen Tag vor dem Grafen und der Gnädigen in Immenstadt angekommen war. So hatte er gerade noch ausreichend Zeit gehabt, um den benötigten Mitarbeiterstab zu rekrutieren. Seine Hilfsköche, zwei der Küchenjungen, der Fürschneider , der Truchsess und der Mundschenk hatten auf Befehl des Grafen in Konstanz bleiben müssen, um den ebenfalls dort zurückgebliebenen jungen Herrschaften zu Diensten zu sein. Wenn ihm die Wirte Melchior Renn von der Taverne ›Zum Engel‹ und Franz Linder vom ›Goldenen Lamm‹ nicht mit Personal ausgeholfen hätten, wäre es eng geworden. Da ihm auch kein Einkäufer zur Verfügung gestanden war, weil dieser eines Tages mit dem Geld, das er zum Erwerb von Waren bekommen hatte, auf und davon gegangen war, hatte der Erste Koch des Grafen selbst schauen müssen, wo er die benötigten Lebensmittel herbekam. Ein gewisses Maß Sicherheit gaben ihm die vom Bodensee mitgebrachten Fische, die nach der langen Reise gerade noch frisch genug waren, um sie verarbeiten zu können. Nach dem Kauf am Konstanzer Fischerhafen hatte er sie sofort eingesalzen und gleich bei der Ankunft in Immenstadt in eiskaltes Wasser gelegt, damit sich das Salz auflösen und sich der unangenehme Geruch mit dem Wasser vermischen konnte. »Durch das Braten und Würzen mit frischen Gartenkräutern wird man schon nichts mehr riechen«, hoffte der Küchenmeister einer weiblichen Hilfe gegenüber, die unverhohlen ihre Nase rümpfte.
    Da das Angebot der Fleischer in Immenstadt und andernorts gleich null war, konnte er beim besten Willen nicht alles auftreiben, was er für ein 70-Personen-Bankett benötigte. So musste der gräfliche Leibkoch an allen Ecken und Enden improvisieren. Er hatte den Oberamtmann gebeten, den Jägermeister in die gräflichen Jagdreviere hinauszuschicken, um Wild zu erlegen.
    Neben einem halben Dutzend Feldhasen hatte er sich entweder einen kapitalen Hirsch gewünscht, mit dessen mächtig gehörntem Kopf er die Tafel dekorieren würde, oder zwei Rehe.
    »Wenn’s ein Schwarzkittel ist, soll’s mir auch recht sein«, hatte er dem Oberamtmann noch nachgerufen.
    Mehl aufzutreiben, war ein ebenso lösbares Problem, wie es dies bei Kräutern, Milch und Eiern war. Getrocknete Linsen lagerten in einem großen Fass im Keller direkt unter der Schlossküche. »Da werden die hohen Herren wieder furzen«, hatte er laut lachend gelästert.
    Da der Graf in Konstanz nur Bodenseeweine getrunken hatte, war der danebenliegende und sorgsam

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