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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Geehrten auch noch ein allseits vernehmbares ›Respekt!‹ zugestehen.
    Er wusste ganz genau, dass er sich diese vier Personen warmhalten musste, da sie es waren, die seit Jahren alles dafür taten, um seine Grafschaft auch in schwierigen Zeiten zusammenzuhalten – insbesondere dann, wenn er selbst abwesend war. Deswegen machte er aus dieser eigentlich unbedeutenden Ehrung ein kleines Ereignis.
    Als Erster der vier kam Ulrich Dreyling von Wagrain – der die Ehre genoss, mit dem Regenten auf vertrautem Fuße zu stehen – an die Reihe, weshalb die Laudatio vom Grafen besonders persönlich und herzlich ausfiel. Mit salbungsvollen Worten erklärte er sein Geschenk: »Werter Freund! Er soll als Zeichen Unseres Dankes und Unserer Wertschätzung Ihm gegenüber diese silberne Schaumünze erhalten. Wir hatten das Glück, aufgrund der guten Beziehungen Unseres Bruders Berthold, der – wie alle Anwesenden wissen – Domschatzmeister in Konstanz ist – einige davon erstehen zu können. Es handelt sich zwar um eine Münze, die sich jenseits der monetären Gesichtspunkte bewegt, was so viel heißt, dass es sich dabei um keines der gültigen Zahlungsmittel handelt. Dafür aber ist es eine wertvolle Medaille – ein Regimentsgulden aus dem Jahre 1623, der zum Ruhme und zum Ansehen derer, die in der Konzilsstadt das Regiment führten, in Konstanz geprägt wurde.
    Auf dem Avers zeigt er die Konstanzer Stadtansicht mit der Hafeneinfahrt, über der zwei Stadtschilde, ein Bindenschild und das Goldene Vlies schweben.«
    Da der Graf nicht mehr genau wusste, welches Motiv die Rückseite zierte, drehte er die Medaille ungeniert um und betrachtete sie, bevor er in die andere Hand rülpste und fortfuhr: »Auf dem Revers befinden sich ovale Wappenkartuschen mit den fünf Wappen der Mitglieder des Kleinen Konstanzer Rates und den 21 Wappen der Mitglieder des Großen Rates.«
    Nachdem er mit der Ehrung seiner vier engsten Vertrauten fertig war, dürstete es ihn wieder und er sagte nur noch: »So, das wäre das! Nun lasst uns weiterfeiern.«
    Der Hausherr deutete dem Mundschenk, ihm frischen Wein zu bringen. »Erheben wir unsere Becher, auf dass Unserer Grafschaft trotz des Krieges und vielerlei Seuchen kein weiteres Leid geschieht! Musikanten, spielt auf«, rief der Hausherr, ob des Gelingens seines Begrüßungsfestes gut gelaunt.
    Als die Musiker eintraten, ging ein Raunen durch den Saal. Das kleine Orchester wurde vom schmächtigen, erst 19-jährigen Johann Jakob Froberger geleitet. Eigentlich war er ein für sein Alter doch schon recht bekannter Orgelvirtuose, reiste aber lieber von Stadt zu Stadt, um Konzerte am Cembalo und Klavichord zu geben.
    Der begnadete Jungmusiker hatte sogar schon ein Buch mit Musikwerken für Orgel und Cembalo geschrieben und war gerade dabei, für diese Instrumente, aber auch für den Musikstil der Suite, einen neuartigen, ausdrucksstarken Stil zu entwickeln. Dass es einem glücklichen Umstand zu verdanken war, Froberger in Immenstadt zu haben, verschwieg der Graf lieber. Stattdessen ergötzte er sich an der Bewunderung, die ihm die Gäste bezüglich seines Organisationstalentes entgegenbrachten. Dass Froberger, aus seiner Heimatstadt Stuttgart kommend, noch einige Auftritte in Süddeutschland zu bewältigen hatte, bevor er nach Wien weiterreisen sollte, um dort Hoforganist zu werden, wussten die Gäste des Grafen nicht.
     
    *
     
    Unter der Bevölkerung hatte es sich schnell herumgesprochen, dass es um Mitternacht eines der höchst seltenen ›Feuerspiele‹ zu bestaunen gäbe. Obwohl die Menschen Angst vor diesem unheimlichen Zauber hatten, lockte sie die unbändige Neugierde zum Marktplatz. Schon seit über einer Stunde umsäumten mehrere Hundert Immenstädter Bürger den großen Platz vor dem seit langer Zeit erstmals wieder illuminierten Schloss. Immer mehr Männer und Frauen mit ihren Kindern fanden sich ein, und da Speen befürchtete, dass sie zu nahe an das gefährliche Gezündel herantreten könnten, ließ er zu ihrem Schutz fast die gesamte Stadtgarde – die bei Bedarf zugleich auch als eine Art Bürgerwehr fungierte – aufmarschieren. Da für den Brandschutz die Stadt verantwortlich war und sich zudem viel Prominenz im Schloss versammelt hatte, teilte Stadtammann Zwick die ›Feuerknechte‹ – eine Art hauptamtlicher Feuerwehr – höchstpersönlich ein. Er hatte zwar auch schon davon gehört, dass vor Kurzem ein Löschschlauch erfunden worden sei, hatte selbst aber noch nie diese merkwürdig

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