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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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versperrte Weinkeller aufgrund der Abwesenheit des Grafen immer noch voll der besten Weine aus der Mainzer Gegend. Würden die Lagerräume im Keller nicht so versteckt liegen, wären sie längst von den Schweden oder kaiserlichen Haufen entdeckt und ausgeplündert worden. Wahrscheinlich würden sich sogar untreue Beamte des Grafen daran vergangen haben. So aber hatte es der Küchenmeister geschafft, eine grandiose Begrüßungstafel zu dekorieren und die feinsten Spezereien und Getränke aufzufahren.
     
    Nachdem der Graf seinen Gästen Salz und Brot zum Zeichen unverbrüchlicher Gastfreundschaft gereicht hatte, wurden fast alle Kerzen ausgeblasen und die Köche trugen illuminierte Schüsseln, Schalen und Platten auf.
    »Im Angesicht allgemeiner Hungersnot zeigt unser Herr seine Macht fast etwas zu prahlerisch«, wisperte der stets auf Sparsamkeit bedachte Oberamtmann seiner Frau ins Ohr.
    Gut, dass seine ketzerische Aussage im allgemeinen »Aaah!« unterging. Sie würde ihm wohl Ärger einbringen, wäre sie gehört worden.
    Es war beeindruckend, was die Gäste zu sehen bekamen. Allein zum Auftragen des mit Reisig dekorierten Hirsches wurden vier Helfer benötigt. Da es dem Oberjäger und seinen Jagdgehilfen in der Kürze der Zeit tatsächlich gelungen war, einen kapitalen Hirsch zu erlegen, hatte der Küchenmeister sie mit dem Aufbruch , den er ihnen heimlich überlassen hatte, belohnt. Aus der Riesenschüssel Kraut ragten Fasanenfedern heraus. Hasen und Hühnchen türmten sich auf einer ovalen Silberplatte, die mit allerlei Kräutern verziert war.
    Im Raum befanden sich zwei der gräflichen Jagdhunde, auf deren Rücken man zur Feier des Tages wappenbestickte Überhänge gelegt hatte. Links und rechts des Saaleinganges saßen sogar die beiden Jagdfalken des Grafen, die als Symbole charakteristischer Jagdattribute einer herrschaftlichen Tafel auch etwas abbekamen. Silber, Zinn und Porzellan hoben sich edel vom Weiß der fein umsäumten Tischdecken ab.
    Nachdem es auch noch eine süße Pastete gab, musste der ursprünglich aus dem Engadin stammende Küchenmeister mitsamt seinem kompletten Personal antreten, um ein dickes Lob und Applaus in Empfang zu nehmen. Als Zeichen dafür, dass es mundete, wurde an allen Ecken und Enden der großen Tafel ungeniert geschmatzt, gerülpst … und gefurzt. Zuweilen verbreiteten die Leibeswinde einen äußerst unangenehmen Raumduft.
    Es kehrte erst Ruhe ein, als der Zeremonienmeister mit seinem Stab dreimal auf den Steinboden klopfte und ankündigte, dass der Regent etwas zu sagen habe. Der sowieso schon recht feiste Graf vermochte es kaum, sich aus seinem mit rotem Samt bezogenen Sessel zu erheben. Er war zu vollgefressen und überdies hatte er zu viel Wein getrunken. Irgendwie schaffte er es dann doch, sich aus seinem weichen Sitz zu schälen und dabei einen respektgebietenden Eindruck zu erwecken.
    »Ehrenwerte Herren!«
    Es folgte eine kleine Pause, gefolgt von einer kaum wahrnehmbaren Verneigung des Regenten: »Die Damen! … Wir möchten die Gelegenheit nützen, um all jenen, die hier in Immenstadt tapfer die Stellung gehalten haben, während ein Großteil der Immenstädter Untertanen feige aufgrund der Pest und der Hungersnot oder vor den lutherischen Söldnern geflohen ist, Unserer Hochachtung zu versichern.«
    Dass er selbst das Vorbild zur Stadtflucht abgegeben hatte, weil er sich nach Konstanz abgesetzt hatte, ignorierte der Graf und begründete seine unaufschiebbare Abwesenheit stattdessen mit dringlichen Geschäften, bevor er mit seinen schwülstigen Dankesworten fortfuhr: »Unser besonderer Dank gilt Speen, Zwick, Huldenfeld und Dreyling von Wagrain!«
    Mit hastigen Winkbewegungen sprach er weiter: »Erhebt euch und bemüht euch zu Uns. Wir mussten Uns auch aus Unserem gemütlichen Sitz quälen, obwohl es Unser Wanst kaum zuließ«, witzelte er.
    Während die Gäste nicht recht wussten, ob sie über diese Selbstironie offen lachen durften, traten vier im Gesicht gepuderte Diener in feinstem Livree zum Grafen und postierten sich links und rechts von ihm. Sie trugen je ein rotes Samtkissen, auf dem etwas, was die sitzenden Gäste nicht erkennen konnten, lag.
    Als Fanfarentöne erklangen, erhoben sich alle und warteten gespannt auf das, was jetzt kommen sollte. Der Graf würde auf jeden der vier zuvor Genannten eine Laudatio halten und sich für deren unermüdlichen Einsatz zum Wohle des rothenfelsischen Herrschaftsgebietes bedanken. Dabei würde er jedem der solchermaßen

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