Der Pfad der Dolche
gut wie gefangen, Gemahl, also sollten wir überlegen, wie wir Masema finden.« Sie kniete sich anmutig neben eine Kiste an der Zeltwand, die als einzige nicht abgedeckt war, hob den Deckel an und begann zusammengerollte Landkarten hervorzuholen.
Perrin hoffte, daß sie mit ihrer Einschätzung Alliandres recht hatte, weil er nicht wußte, was er tun sollte, wenn sie sich irrte. Wenn er nur halbwegs der wäre, für den sie ihn hielt. Alliandre war ein gefangener Vogel, die Seanchaner würden für Perrin Goldauge wie Puppen katzbuckeln, und er würde sich den Propheten greifen und ihn zu Rand bringen, während Masema zehntausend Männer um sich geschart hatte. Er erkannte nicht zum ersten Mal, daß er ihre Enttäuschung fürchtete, wie sehr ihr Zorn ihn auch verletzte und verwirrte. Wenn er jemals Enttäuschung in ihren Augen sähe, würde es ihm das Herz brechen.
Er kniete sich neben sie, half ihr, die größte Karte auszubreiten, die den Süden Ghealdans und den Norden Amadicias zeigte, und betrachtete sie so, als würde ihn Masemas Name von dem Pergament anspringen. Er hatte mehr Grund als Rand, erfolgreich sein zu wollen. Was auch immer geschehen mochte -er durfte Faile nicht enttäuschen.
Faile lag in der Dunkelheit, lauschte, bis sie sicher war, daß Perrin fest schlief, und schlüpfte dann unter den Decken hervor, die sie miteinander teilten. Reumütige Belustigung vereinnahmte sie, während sie sich ihr Leinennachtgewand über den Kopf zog. Glaubte er wirklich, sie würde nicht herausfinden, daß er das Bett eines Morgens tief in einem Gebüsch verborgen hatte, während die Karren entladen wurden? Nicht daß es ihr etwas ausmachte. Zumindest nicht viel. Sie hatte sicherlich ebenso häufig auf dem Boden geschlafen wie er. Sie hatte natürlich Überraschung geheuchelt und die Geschichte heruntergespielt. Bei jeder anderen Reaktion hätte er sich entschuldigt und wäre vielleicht sogar zurückgegangen, um das Bett wieder zu holen. Zu wissen, wie man einen Gemahl zu nehmen hatte, war eine Kunst, hatte ihre Mutter stets gesagt. Hatte Deira ni Ghaline es jemals als so schwierig empfunden?
Sie schlüpfte barfuß in ihre Pantoffeln, zog ein Seidengewand über, zögerte dann und schaute auf Perrin hinab. Er würde sie deutlich sehen können, wenn er aufwachte, aber er war für sie nur eine umschattete Erhebung. Sie wünschte, ihre Mutter wäre jetzt hier, um ihr einen Rat zu geben. Sie liebte Perrin mit jeder Faser ihres Seins, aber er verwirrte sie vollkommen. Es war natürlich nicht möglich, Männer wirklich zu verstehen, aber er war so anders als alle, mit denen sie aufgewachsen war. Er prahlte niemals, und anstatt über sich selbst zu lachen, war er ... bescheiden. Sie hatte nicht geglaubt, daß ein Mann bescheiden sein konnte. Er beharrte darauf, daß nur der Zufall ihn zum Anführer gemacht hatte, behauptete nicht zu wissen, wie man Menschen führte, obwohl Menschen, die ihm begegneten, ihm bereits nach einer Stunde bereitwillig folgten. Er tat sein Denken als schwerfällig ab, obwohl er so einfühlsam war, daß sie sich sehr anstrengen mußte, wenn sie überhaupt irgendwelche Geheimnisse vor ihm bewahren wollte. Er war ein wundervoller Mann, ihr Wolf mit dem lockigen Haar. So stark und so sanft. Sie seufzte und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zelt. Sein scharfes Gehör hatte ihr schon früher Probleme bereitet.
Das Lager der Soldaten lag still unter einem zunehmenden Mond, der am wolkenlosen Himmel ebensoviel Licht spendete, wie es ein Vollmond vermocht hätte, eine Helligkeit, welche die Sterne verblassen ließ. Verschiedene Nachtvögel schrien schrill und wurden dann beim Ruf einer Eule still. Eine leichte Brise wehte, und sie schien wundersamerweise tatsächlich ein wenig kühl. Wahrscheinlich bildete sie sich das nur ein. Die Nächte waren nur im Vergleich zu den Tagen kühl.
Die meisten Männer schliefen, dunkle Erhebungen in den Schatten unter den Bäumen. Einige wenige blieben wach und unterhielten sich um die spärlichen noch brennenden Feuer. Sie gab sich keine Mühe, im Verborgenen zu bleiben, aber niemand achtete auf sie. Einige schienen im Sitzen mit gesenkten Köpfen halbwegs zu schlafen. Wenn sie nicht gewußt hätte, wie gut die wachhabenden Männer aufpaßten, hätte sie vielleicht geglaubt, das Lager könnte sogar von einer Herde wilder Tiere überrascht werden. Natürlich würden die Töchter des Speers in der Nacht ebenfalls wachen. Aber es war auch bei ihnen unwichtig, ob sie von ihnen
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