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Der Pfad der Woelfin

Der Pfad der Woelfin

Titel: Der Pfad der Woelfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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geworden.«
    »Lucrezia?«
    »Ja, Lucrezia!« Er zerbiß den Namen zwischen den Zähnen. »Aber darüber reden wir, wenn du dich erholt hast. Du hast lange geschlafen. Sehr, sehr lange .«
    »Wie lange?«
    »Vier Tage. Ich habe dir immer wieder etwas eingeflößt. Du hast es brav geschluckt, sonst gäbe es dich wahrscheinlich nicht mehr. Aber einmal meinte ich, du würdest daran ersticken .« Er schloß kurz die Augen, wodurch sein Gesicht noch größere Ähnlichkeit mit dem eines aufgebahrten Toten erlangte.
    »Vier ...?« setzte ich an, verstummte dann aber. Ich hatte keinen Grund, es nicht zu glauben.
    Er sah mich wieder an. »Ich will sehen, daß ich eine Brühe für dich auftreibe. Ich rede mit dem Mann in der Kombüse .«
    Ich sah ihm nach, als er davonging.
    Er versuchte seine Schwäche zu verbergen. Aber es war unübersehbar, wie sehr er sich zwingen mußte, sich aufrecht den Weg zwischen Fässern und zusammengerollten Tauen zu bahnen.
    Tränen liefen über mein Gesicht.
    In diesem Moment glaubte ich, es wäre besser gewesen, wenn ich das Ende des Tunnels hätte erreichen dürfen.
    Ich zog die Hände unter der Decke hervor und betrachtete die Verbände. Dort, wo sich die Schnitte verbargen, waren sie dunkel verfärbt.
    Es fiel schwer, dem Wunsch zu widerstehen, die kaum verheilten Wunden neu aufbrechen zu lassen.
    Aber irgendwo in mir glomm ein winziger Funke Hoffnung, den ich mir von meiner Reise durch den Tunnel bewahrt hatte.
    Ich hatte Aurel verloren, aber vielleicht dafür Vater wiedergewonnen - auch wenn er mir die Erklärung, wie es zu dieser unerwarteten Wendung hatte kommen können, noch schuldete .
    *
    22. Januar 1516 - der 8. Tag auf See Heute verließ ich zum erstenmal mein Lager und stieg mit Vaters Hilfe an Deck der holländischen Karavelle.
    Es war Nacht, und irgendwie fühlte ich mich zurückversetzt in die Zeit, als ich nur nachts hatte draußen sein dürfen. Die Sichel des Mondes hing am Himmel.
    Atemfahnen lösten sich von unseren Mündern. Es war kalt, aber erträglich, weil beinahe windstill. Das Schiff hatte kaum Fahrt, seine Segel hingen schlaff an den Rahen.
    »Eine vorübergehende Flaute, sagt der Kapitän.« Aus Vaters Worten war das Bemühen herauszuhören, mich zu beruhigen. Dabei war ich gar nicht in Sorge.
    Das Firmament funkelte, als hätte jemand einen Beutel voller Edelsteine auf ein Polster aus schwarzem Samt geschüttet. Als wäre dort oben unten und hier unten oben . .. Verrückt.
    »Ist es nicht schön?« fragte Vater.
    »Wunderschön«, sagte ich, denn in dieser Schärfe und Gewaltigkeit hatte ich das Gewölbe des Himmels noch nie erlebt. »Ob dort oben wirklich Gott wohnt?« »Gott? Nein. Bestimmt nicht .«
    Ich zuckte zusammen, denn da war sie wieder: die Verlorenheit, die Verzweiflung, von der ich gehofft hatte, Vater hätte sie endlich überwunden - so wie ich allmählich von den Gedanken ans Sterbenwollen loskam.
    Aber Vaters Gram wurzelte offenbar sehr viel tiefer, und seine dumpfe Verbitterung hatte er in den vergangenen Tagen unter Deck nur vor mir versteckt gehalten; verborgen unter einer zum Zerreißen gespannten, hauchdünnen Haut.
    Ich überlegte, ob ich ihm von den Empfindungen berichten sollte, die ich während meiner viertägigen Ohnmacht gehabt hatte. Diese absolute Friede, dieses Licht ... Es mußte etwas mit dem zu tun haben, den sie Gott nannten! Womit sonst .?
    Aber er lenkte das Gespräch auf etwas anderes, und ich schluckte den Köder.
    »Dieses Schiff«, sagte er, »bringt uns nach Afrika. Nach Tunis.«
    Tunis.
    Das klang fremd, aber auch faszinierend.
    Ich stützte mich mit den Händen auf die hölzerne Reling. Das Schiff ächzte und stöhnte in jeder seiner Verstrebungen, obwohl kaum ein Lüftchen wehte.
    Alles war in Bewegung, alles war im Fluß .
    »Wie ist Tunis?«
    »Es ist eine andere Welt. Wir können dort ganz von vorn anfangen.«
    Das Unterschwellige, das in seiner Stimme mitschwang, wollte ich nicht hören. Ich wollte an unsere Zukunft glauben .
    »Wie - hast du den Kapitän dazu gebracht, uns mitzunehmen?«
    »Ich habe ihn fürstlich bezahlt.«
    »Woher hattest du soviel Geld?«
    »Von ihr.«
    »Sie hat es dir einfach so gegeben?«
    »Sie brauchte es nicht mehr.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie tot ist.« Vater hieb mit den Handballen auf die Reling, und sein Atem wurde schneller. »Tot!«
    »Aber -«
    »Genug! Sie kann uns nicht mehr schaden. Keinem von uns beiden! Und wir brauchen auch keine Angst vor Verfolgung zu haben! Es ist alles

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