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Der Pfad der Woelfin

Der Pfad der Woelfin

Titel: Der Pfad der Woelfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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hinaus.
    Die Sicht war schlecht. Auch hier verhinderte ein nebliger Vorhang, daß man die Schiffe, die draußen ankerten, sehen konnte. Von manchen erkannte ich vage Umrisse, von anderen nichts oder nur die verschwommenen Flecke ihrer Positionslichter.
    Ich saß einfach da und ließ meine Gedanken treiben.
    In der letzten Nacht hatte ich vom Tod geträumt.
    Von meinem Tod, wie ich glaubte.
    Ich war wach geworden, und urplötzlich war ich mir bewußt geworden, daß jedes Leben früher oder später vorüberging.
    Und dann hatte ich zu ergründen versucht, wie es wohl sein mochte, zu sterben. Wenn das Herz aufhörte zu schlagen und der Atem stockte. Wenn die Finsternis kam .
    Irgendwie war ein tiefe Traurigkeit über mich gekommen. Angst nicht. Nur Ohnmacht, Hilflosigkeit.
    Im Leben konnte man gegen vieles ankämpfen - aber gegen den Tod nicht.
    Wie seltsam .
    Plötzlich ging die Tür des Schuppens auf, und Jeanne, ein älteres Mädchen, das nur noch ein Auge und an einer Hand nur zwei Finger hatte, stürmte herein. Ich hatte nicht viel mit ihr zu tun, aber jetzt rief sie: »Komm schnell! Schnell! Aurel ...«
    Ich wußte sofort, daß etwas Schreckliches geschehen war. Ich las es in Jeannes Gesicht, deren blindes Auge mir bis in den Grund meiner Seele zu starren schien.
    »Ich komme ...«, sagte ich.
    Der Schwindel in meinem Kopf zählte nicht mehr. Ich schlüpfte nicht einmal in meine Schuhe, die ich ausgezogen hatte. Ich rannte einfach hinter ihr her.
    Stadteinwärts.
    Eine Menge Leute hatten sich vor der Apotheke versammelt.
    Von den Kindern aus Aurels Bande sah ich keines. Nur Jeanne, die plötzlich kehrt machte und davonlief. Ich glaube, sie weinte. Ich hatte sie nie vorher weinen sehen.
    Langsam ging ich näher.
    Meine Beine schienen mit Blei ausgegossen zu sein. Ich weiß nicht mehr, wie ich mir einen Weg durch die Leiber bahnte. Aber plötzlich war vor mir eine Lücke, und dort auf dem Boden lag .
    »Kennt ihn jemand?« rief eine Männerstimme fast ohne Gefühl, als ginge es nur darum, einen Namen für eine Grabesinschrift zu erhalten - dabei war klar, daß Aurel nie ein Kreuz erhalten würde.
    »Ich! Ich kenne ihn ...!«
    Alle Augen richteten sich auf mich.
    Es war mir egal.
    Ich hatte nur Augen für ihn.
    Er lebte ja noch! Ich sah doch, daß seine Lippen und seine Lider zuckten - aber ich sah auch das Blut. Seine ganze Kleidung war vor der Brust dunkel durchnäßt, Wams und Hemd durchstochen.
    Es spielte keine Rolle, was sie dachten, als ich neben ihm kniete und seine Hand in meine Hände nahm und dabei das Gefühl hatte, die Kälte, die bereits Besitz von ihm genommen hatte, griffe nun auch nach mir, wollte auch mich mitreißen ins ewige Dunkel .
    Ich hörte nicht, was um mich herum gesagt, geflüstert oder gestikuliert wurde.
    Aurel öffnete die Augen. Er mußte mich gespürt haben.
    »Ich bin ... so froh ...«, krächzte er heiser.
    Froh?
    »Dich noch einmal . zu sehen .«
    Ich hörte auf, ihn zu sehen. Immer mehr Tränen drängten sich zwischen ihn und mich. Und als ich sie endlich wegwischte, war er tot, ein gefrorenes Lächeln wie eine Eisblume auf den Lippen.
    »Da kommt endlich jemand ...«
    Der Ruf riß mich in die Wirklichkeit zurück.
    Ich stand auf.
    »Wer hat das getan - und warum?«
    Ich klang so beherrscht, aber in Wirklichkeit wäre ich in der Lage gewesen, einen Mord zu begehen.
    Derbe Hände packten mich am Arm. Jemand rief: »Gehört sie dazu? Ist sie seine Komplizin?«
    Neben mir war ein Büttel, vor mir trat der Apotheker aus der Tür seines Ladens. Er hielt noch in der Hand, was Aurel getötet hatte.
    Als sich unsere Blicke begegneten, errötete er, wich mir aus und sagte zu dem Polizisten: »Nein. Er war allein. Laßt sie gehen ...«
    Die Hand an meinem Arm zögerte, dann gab sie mich frei.
    Ich wurde weggestoßen.
    Einige aus der Menge äußerten Unmut darüber, daß man mich gehen lassen wollte. Aber der Apotheker lenkte alle Aufmerksamkeit auf sich, indem er laut schilderte, was geschehen war.
    Während ich einen Fuß vor den anderen setzte, hörte ich genug, um zu begreifen, daß Aurel versucht hatte, die Kasse zu stehlen.
    Warum?
    Zum Teufel, warum?
    Da fiel mir ein Satz von ihm ein, an dem Tag gesprochen, da ich meinen Vater verließ: »Sieht ans, als müßte ich nun für uns beide sorgen - na, es wird schon gelingen ...«
    Warum hatte ich es ihm nicht ausgeredet? Warum hatte ich nicht erkannt, wie er dieses Versprechen meinte?
    Jetzt war es zu spät.
    Nichts würde ihn wieder

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