Der Pfad des Kriegers (German Edition)
ich mache einen Unterschied? Glaubst du das wirklich?“, sagte der Söldner mit einer Stimme, aus der Wut und Verzweiflung sprachen.
„In wenigen Stunden sind hier alle tot. Wenige Meilen von hier lagert ein Heer von Taisin, das nach allem was wir wissen fünf Mal so groß ist wie dieser Haufen halbverhungerter Maegrin. Du und ich, wir werden daran nichts ändern. Es gefällt mir ja selbst nicht, aber ...“
„Weißt du, was mein Vater auch gesagt hat? Manchmal muss ein Krieger Dinge tun, die ihm nicht gefallen. Für seine Freunde einstehen, obwohl es aussichtslos ist. Weil er sonst den Rest seines Lebens damit verbringen wird, wieder und wieder diesen Tag zu durchleben, an dem er seine Freunde im Stich ließ. Er nannte es den Pfad des Kriegers.“
„Dein Vater war vom Kontinent, oder? Aus der Nordmark, oder?“
Thomas nickte.
„Ich habe es schon länger vermutet. Du siehst nicht aus wie ein typischer Llaevin. Sprichst du meine Sprache?“
Thomas schüttelte den Kopf.
Enttäuschung zeigte sich auf Barretts Gesicht, aber seinen Worten konnte man dies nicht anmerken:
„Ich kenne den Pfad des Kriegers. Die Stämme im Norden predigen es. Thomas, niemand hält sich daran. Vielleicht hat sich dein Vater daran gehalten, aber dann war er der einzige. Das sind Worte. Leere Phrasen, die man Kinder aufsagen lässt, wenn sie zum Krieger geweiht werden. Dein Vater wollte nicht, dass du hier stirbst.“
Wütend entgegnete Thomas.
„Nein, Barrett, mein Vater wollte nicht, dass ich hier sterbe, aber er wollte auch nicht, dass ich die einzigen Freunde verrate, die ich noch habe. Wenn du gehen willst, geh, ich werde dich nicht aufhalten, aber ich werde auch nicht mit dir kommen.“
Mit traurigen Augen schüttelte der Söldner seinen großen Kopf. Thomas Wut verflog sofort. Der Söldner wollte sich nicht selbst retten, er wollte ihn retten. Oder zumindest sie beide. Warum? Sah er ihn als Freund? Oder war es irgendein seltsamer Söldner-Ehrenkodex?
Es war der Söldner, der sich dazu entschied, das Gespräch nicht fortzusetzen:
„Lass uns etwas durchs Lager gehen. Vielleicht finden wir irgendwo etwas zu essen.“
Der Gedanke an Essen ließ Thomas Magen rumoren und er folgte Barrett ohne Zögern. Dieser steuerte zielstrebig auf die Mitte des Lagers zu. Nach wenigen Minuten erreichten sie den großen Platz vor dem Haus des Propheten und was Thomas da sah, raubte ihm fast den Atem.
Vor der Hütte war der Schnee zur Seite geschoben worden und mehr als drei Dutzend Krieger, alle nur mit einem Lendenschurz bekleidet, knieten auf der nackten, kalten Erde. In der ersten Reihe saß nur der Prophet selbst. Wie alle anderen, die sich hinter ihm niedergekniet hatten, hatte er einen Dolch in der Hand und stieß jetzt ein wütendes Geheul aus, einem Wolf ähnlicher als einem Menschen. Dann zog er den Dolch über seinen linken Unterarm. Blut strömte aus der Wunde. Ohne erkennbare Pause fügte er sich einen weiteren Schnitt quer über Brust und Bauch zu. Thomas wandte sich ab. Die unterdrückten Schreie der Anhänger des Propheten, die es ihm wohl inzwischen gleich getan hatten, drangen an seine Ohren. Übelkeit stieg in Thomas hoch.
„Ich denke, das willst du dir ansehen!“, sagte der Söldner neben ihm mit ruhiger Stimme.
Thomas drehte sich um und sah, wie sich die Gruppe mit ihren Körpern auf den Boden presste und das Blut in die Erde strömte. Er drehte sich wieder weg.
„Ich wollte dir nur zeigen, wem du hier in die Schlacht folgst. Einem Haufen Verrückter, die glauben, dass die Mutter Erde selbst ihnen helfen und ihre Feinde zerschmettern wird. Ich frage mich ja nur, warum sie es noch nicht getan hat, hätte uns viel Ärger erspart.“
Der zynische Unterton in der Stimme des Söldners war nicht zu überhören.
„Ich bin nicht hier wegen dieses Propheten, Barrett. Ich bin hier wegen Ulf, wegen Arvid, wegen meiner Heimat. Weil dieses Volk irgendwann auch auf meine Insel kommen wird.“
Schweigend gingen sie zurück. Der Hunger war Thomas nach dem Anblick vergangen. Überall im Lager waren die Vorbereitungen für die Schlacht in vollem Gange. Waffen wurden ein letztes Mal geschliffen, Rüstungen poliert, Köcher mit Pfeilen gefüllt und viele der Krieger wickelten Stroh um ihre Füße, um sich wenigstens etwas vor der mörderischen Kälte zu schützen.
Während Thomas durch das Lager schritt, sah er, was Barrett gemeint hatte. Abgemagerte Menschen mit fahlen Gesichtern und dunklen Ringen um die Augen, viele davon
Weitere Kostenlose Bücher