Der Pfad des Kriegers (German Edition)
sehnte er sich danach Worte seiner Muttersprache zu hören oder das harmlose Gebrabbel seiner jüngsten Schwestern, die gerade anfing zu sprechen. Ein kräftiger Ruck an dem Seil, das ihn an seinen Vordermann band, weckte ihn aus seinen Gedanken. Er war wohl immer langsamer geworden. Ein ganzer Schwall der fremden Worte strömte auf ihn ein, aber er konnte nur stumm nicken. Der Krieger, der ihn bewachte, er war wohl so alt wie sein Vater, erwiderte sein Nicken knapp, drehte sich um und marschierte weiter, in einem Tempo, das Thomas nur mit äußerster Willensanstrengung mithalten konnte. Die Wunde an seinem Oberschenkel verursachte ihm starke Schmerzen, obwohl sie glücklicherweise nicht mehr blutete.
Für den Rest des Tages blieb Thomas seinen eigenen, trüben Gedanken überlassen. Die Maegrin rasteten kaum und hatten es augenscheinlich äußerst eilig nach Norden zu kommen. Erst als es schon dunkel war, hörten sie auf zu marschieren. Die Männer sammelten sich um ein kleines Feuer, ein karges Mahl wurde verzehrt, nicht viel reichhaltiger als das, was Thomas und seine Gefährten in den letzten Tagen gegessen hatte und dann legten sich die meisten schlafen. Ein junger Krieger, dessen Gesicht von einer großen Narbe in zwei Hälften geteilt wurde, setzte sich Thomas gegenüber. Als er anfing Brot in kleine Stücke zu brechen, brach eine aufgeregte Diskussion zwischen ihm und seinen Gefährten aus, der Thomas nicht folgen konnte, dabei setzte der Krieger aber sein Handeln unbeirrt fort. Als er den Laib in kleine Stücke gebrochen hatte, fing er an, Thomas damit zu füttern. Dankbar verzehrte dieser die trockenen Brotstücke, auch wenn sie nur wenig gegen seinen Hunger halfen. Ohne ein Wort mit ihm gewechselt zu haben, erhob sich der Krieger, nachdem das letzte Brotstück in Thomas Mund verschwunden war und legte sich schlafen. Trotz des Hungers und der unbequemen Schlafposition zu der ihn seine gefesselten Hände zwangen, fiel Thomas schnell in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Als er am nächsten Morgen mit einem Tritt geweckt wurde, waren die Maegrin schon fast abmarschbereit.
Die Aussicht einen weiteren Tag marschieren zu müssen, ließ Thomas vor Verzweiflung innerlich aufheulen, aber nach außen ließ er sich nichts anmerken. Ein Maegrin befreite ihn von seinen Fußfesseln und mühsam erhob sich Thomas. Nur Augenblicke später brach die Gruppe auf. Es war noch früh am Morgen und die Strahlen der Sonne hatten noch nicht genug Kraft, um Thomas wirklich zu wärmen. Dichter Nebel hing über den Hügeln und er hatte große Mühe überhaupt vorwärts zu kommen. Dennoch legte die Gruppe ein geradezu unbarmherziges Tempo vor, immer in Richtung Norden. Hatte ihn am ersten Tag noch der Gedanke an Flucht nahezu ununterbrochen beschäftigt, so war sein Verstand heute von den Strapazen der letzten Tage und dem wenigen Essen geradezu betäubt. Einen Schritt nach dem anderen machte er, über mehr dachte er nicht mehr nach. Selbst die Schmerzen in seinem Bein fühlte er kaum noch.
Die nächsten Tage verliefen alle gleich. Tagsüber marschierten sie, abends erhielt er eine kleine Mahlzeit von dem Narbengesicht, der sich ab dem zweiten Abend auch mit großer Sorgfalt um seine Wunden kümmerte. Danach fiel er stets sofort in einen tiefen, todesähnlichen Schlaf. Am sechsten oder siebten Tag, so sicher war er sich nicht, erfasste eine gewisse Unruhe alle Männer um ihn herum. Bereits am Vortag waren sie immer wieder Gruppen maegrinischer Krieger begegnet, heute hatte Thoma auch mehrfach Schäfer mit ihren Herden erblickt. Sie mussten sich dem Kernland der Maegrin nähern. Wie sie wohl die Schafsherden hierherbekommen hatten? Oder hatten sie sie erbeutet? Thomas hatte nur eine ungenaue Vorstellung, von was die Stämme hier im Norden gelebt hatten. Was wohl mit ihm passieren würde? Tagelang hatte er diese Frage an den Rand seines Bewusstsein gedrängt, doch jetzt beschäftigte sie ihn mit jedem Schritt den er weiter nach Norden ging mehr. Was für ein Interesse hatten die Maegrin an ihm? Würden sie ihn doch noch töten? Vielleicht opferten sie Menschen? Wie die Völker auf dem Kontinent. Oder ... Er zwang sich dazu diesem Gedankenstrom nicht weiter zu folgen. Es half ja doch nichts.
Er beschloss seine Gedanken wieder auf eine mögliche Flucht zu konzentrieren. Im Moment gab es dazu zwar wenig Gelegenheit, aber irgendwann würde sich eine Möglichkeit ergeben. Außer sie töteten ihn gleich. Aber warum sollten sie ihn dann den
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