Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Salinen. Hast du das vergessen?«, presste Grenouille zwischen den Zähnen hervor.
»Grenouille, es gilt doch nur für die Zeit bis zum Ende dieses Kriegs. Danach darfst du ihr den Hof machen, so viel du willst.«
Wie gern hätte Laerte ihm geantwortet, dass am nächsten Tag ohnehin alles vorbei wäre. Wie gern hätte er ihm gesagt, wer er wirklich war, was er getan hatte und welch mächtiger Ritter aus ihm geworden war.
»Ich möchte doch nur nicht, dass man dich in irgendeiner Weise verdächtigt.«
Laerte spürte, wie der General kurz zögerte, ehe er ihm die Hand auf die Schulter legte. Er schüttelte sie heftig ab und entfernte sich ein Stück.
Tötest du ihn?
»Vor allem jetzt, nachdem du zum Ritter geschlagen wurdest«, fügte Dun hinzu.
Laerte hatte inzwischen den Treueid abgelegt. Der große General Dun-Cadal Daermon hatte ihn persönlich zum Ritter geschlagen.
Tötest du ihn?
Verzweifelt klammerte sich Laerte an die Vorstellung, dass sich Dun seiner nur bedient hatte. Sie hatten einander benutzt. Beide waren zum Werkzeug für den anderen geworden. Laerte kreidete es sich als Fehler an, Zuneigung für seinen Lehrer zu verspüren. Er zwang sich dazu, sich auf das zu konzentrieren, was er hasste. Dauernd schalt der General ihn, ständig hielt er ihn zur Arbeit an, und immer zwang er ihn, vor Höhergestellten zu schweigen. Nie jedoch erkannte er die Leistungen seines Schülers an.
»Eigentlich sollte mein Status mir gestatten, mich zu treffen, mit wem ich möchte.«
»Du darfst nicht glauben, dass du bereits am Ziel bist, mein Junge. Du hast noch einen langen Weg vor dir.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Grenouille mit finsterem Blick. »Nie bin ich dir gut genug. Ganz gleich, was ich tue – es reicht dir nicht. Hast du mich jemals gelobt? Hast du auch nur ein einziges Mal gesagt: ›Gut gemacht, Junge‹? Noch nicht einmal nach dem Treueid. Von dir kam kein Glückwunsch. Einfach nichts. Wie gern hätte ich eines Tages von dir gesagt, dass du mir wie ein Vater gewesen bist … aber ich …«
Er rang um Worte. In ihm waren so viele Vorwürfe, dass er sie nicht alle aussprechen konnte. Hinzu kam eine neue Art von Trauer, die ihm das Herz abdrückte und die Tränen in die Augen trieb. Er konzentrierte sich. Keinesfalls klein beigeben! Um keinen Preis Rührung zeigen! Dun durfte nichts davon wissen.
Laerte senkte für einen kurzen Moment den Blick, ehe er sich dazu durchringen konnte, seinem Meister mit aller Entschlossenheit ins Gesicht zu sehen.
Dass dieser Mann ihn viel gelehrt hatte, war nicht zu leugnen. Von Anfang an jedoch war Laerte bewusst gewesen, dass Dun auf die Seite derer gehörte, die seinen Vater getötet hatten.
Tötest du ihn, wenn es so weit ist?
»Manchmal hasse ich dich.«
Braucht Ihr noch etwas, Herrin?
Die letzten Worte, die Laerte mit Dun gewechselt hatte, waren Worte des Zorns gewesen.
Wenn es so weit ist …
Die Worte aber, die Esyld ihm ins Ohr geflüstert hatte, waren reinste Liebe.
Herrin?
»Vielen Dank, Marissa. Sie darf sich zurückziehen.«
Ihre Stimme war etwas tiefer geworden, hatte aber ihre Sanftmut bewahrt. Oben auf dem Sims lehnte Laerte an der Fensterwand der luxuriösen Gemächer des Palatio und dachte daran, wie er den Steg verlassen hatte. Es war am letzten Tag, ehe …
Die Tür schloss sich hinter der Dienerin. Esyld trat an ihr Himmelbett. Nur noch das seidige Rascheln ihres Kleids war zu hören.
Laerte hatte die Nacht abgewartet, ehe er das Dach des Palatios erklomm, sich leise an der Regenrinne entlanghangelte und schließlich die Balkone erreichte. Von dort aus schlüpfte er auf das Dach neben der großen Kuppel und suchte nach dem Fenster der Frau, die er am Abend auf dem großen Platz wiedererkannt hatte.
Er hatte niemandem etwas von seiner Unternehmung erzählt, weil er sicher war, dass sowohl Rogant als auch Viola ganz bestimmt versucht hätten, ihn daran zu hindern. Wie hätten sie auch verstehen können, dass die Hoffnung, Esyld eines Tages wiederzusehen, das Einzige war, das ihn jahrelang hatte durchhalten lassen? Nur die Erinnerung an sie hatte dafür gesorgt, dass er nicht unterging.
Jahrelang hatte er sich bemüht herauszufinden, was aus ihr geworden war. Nie wäre ihm in den Sinn gekommen, dass sie den Sturm auf Emeris nicht überlebt hätte.
Mit einem Mal war alles vergessen, was ihn ursprünglich nach Masalia geführt hatte. Laerte musste Esyld wiedersehen. Er musste sie in die Arme nehmen. Er musste sie küssen. Und er
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