Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Erinnerung zurück und mit ihr heftige Gewissensbisse.
»Ich habe geredet«, flüsterte er.
»Zu viel?«
Sie hob den Kopf und neigte ihn leicht zur Seite. Ein Sonnenstrahl schien ihr einen goldenen Kuss auf die Wange zu hauchen. Plötzlich sah sie zwanzig Jahre jünger aus. Duns müdes Herz begann heftig zu pochen. Er wusste, dass er sich ohne sie nie derart lebendig fühlen könnte.
»Die Salinen«, gab er zurück.
»Ich weiß.«
Sie drehte sich um. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich verhaltener Zorn ab. Ein einziges falsches Wort, ein Missverständnis würden ihn zum Ausbruch bringen. Dun wusste schon lange, dass es besser war, sie nicht zu reizen.
»Aber sie hat dir Fragen nach Grenouille gestellt«, fuhr sie mit schneidender Stimme fort. »Glücklicherweise warst du nicht mehr in der Lage, ihr mehr darüber zu sagen.«
»Mildrel«, flehte er, als wollte er sie um Entschuldigung bitten.
Sie hielt ihm das Glas hin. »Trink das. Es ist Saft von Beeren aus Amauris.«
Dun ließ sich nicht lange bitten und leerte das Glas mit der bitteren Flüssigkeit.
»Ich weiß, es schmeckt nicht besonders gut. Aber es beruhigt den Magen. Hier liegen noch Brot und ein paar Äpfel für dich.«
»Mildrel«, sagte er und griff nach ihrer Hand.
Er hob die Augen zu ihr empor, und es schmerzte schlimmer als ein Dolchstoß mitten ins Herz. Unbeweglich und mit zusammengepressten Lippen stand sie vor ihm, den Blick an die Wand geheftet. Sie brauchte die Vorwürfe nicht auszusprechen. Er hätte ohnehin nicht gewusst, was er ihr antworten sollte. Sie kannten sich seit so langer Zeit, dass sie einander mit den einfachsten Gesten verstanden. Schließlich lächelte Dun sie müde an.
»Es lag am Lavendel«, sagte er. »Sie roch nach Lavendel, genau wie du.«
»Aber sie kommt aus der Republik. Und du weißt genau, dass die Republik Generäle hervorgebracht hat, die sich nicht zu ihr bekannt haben«, antwortete sie traurig. »Warum hast du mit ihr gesprochen? Was hast du dir dabei gedacht? Bis heute hast du dich damit begnügt, die Leute anzulügen. Jetzt hast du dich selbst denunziert.«
»Was habe ich mit der Republik zu tun? Sie interessiert mich nicht.«
Mildrel zog ihre Hand zurück und bedachte ihn mit einem verärgerten Blick, als wäre er ein Kind, das eine Dummheit begangen hatte. »Sie könnte dich jederzeit verhaften lassen.«
»Wen würde es stören?«, seufzte er, stand auf und ging zur anderen Seite des Zimmers, wo die Waschschüssel schon mit warmem Wasser gefüllt war. Vorsichtig öffnete er die Hemdknöpfe und zog sich das Kleidungsstück über den Kopf.
»Mich zum Beispiel«, sagte Mildrel.
Sie stand immer noch mit verschränkten Händen neben dem zerwühlten Bett. Er blickte sie an. Wie schön sie doch noch immer war, und wie würdevoll in ihrem verhaltenen Zorn!
»Ich bedeute hier niemandem mehr etwas«, fuhr er fort. »Es ist viel zu lang her. Ich bin keine Gefahr mehr für sie, und dieses Mädchen weiß das ganz genau.«
Er beugte sich über die Schüssel und wusch sich das Gesicht. Das warme Wasser entspannte seine geschundene Haut und schmeichelte seinen vom Wein und der Mittagssonne schmerzenden Augenlidern. Die Erinnerung an die Säuberungsaktionen nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs verschwamm wie der Dampf über dem heißen Wasser. Wie viele Ritter waren von der Republik vor Gericht gestellt worden, wie viele stolze und geradlinige Männer verurteilt und wie viel Ehrenhaftigkeit auf Druck des Volkes in öffentlichen Prozessen besudelt! Er selbst hatte alles überlebt, weil er wie ein Hund vor den Herolden der entstehenden Republik geflohen war. Zwei Jahre lang hatte er sich in den Wäldern des Nordens vergraben. Und irgendwann hatte man Dun-Cadal Daermon und all diejenigen vergessen, die dem unseligen Kaiser einst gedient hatten.
»Du hast recht. Du bist keine Gefahr mehr, außer für dich selbst. Und zwar schon länger, als dir selbst bewusst ist. Nicht der Zerfall des Kaiserreichs hat den großen Dun-Cadal bezwungen.«
Er hielt inne. Mit triefendem Gesicht stützte er die Hände auf den Rand der Waschschüssel. Das Bild des Jungen stand ihm vor Augen, und wie immer, wenn er an ihn dachte, empfand der alte Krieger ein Gefühl von Ohnmacht und Qual. Die Erinnerung hatte nichts von ihrem Schmerz verloren.
»Besiegt hat dich der Verlust von Grenouille.«
»Du weißt nicht, was du da sagst«, murmelte er.
»Ach wirklich?«
Sie lächelte verächtlich.
»Du aber weißt genau, was du hergelaufenen
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