Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
dieser Kerl ihnen widersprechen? Plötzlich wirkten die Ratsherrn wie Kampfhähne, die sich aufplusterten und mit den Flügeln schlugen. Lediglich Enain-Cassart verbarg seinen Unmut, indem er die Augen niederschlug.
»Man würde im Gegenteil nur die Wut der Leute entfachen«, fuhr Dun fort.
»Meint Ihr wirklich?«, fragte der Kaiser verunsichert.
»Aber der Aufstand ist doch längst hier«, ereiferte sich Bernevin.
»Wagt Ihr es wirklich zu leugnen, dass gewisse Adelige die Aufständischen unterstützen, General Daermon?«, presste Rhunstag hervor. »Der Herzog von Erinbourg ist vor zwei Monaten aus Emeris geflohen. Vieles aber weist darauf hin, dass einige seiner Männer noch hier sind und Vorbereitungen treffen. Und zwar nicht für einen Aufstand, sondern für eine Revolution.«
Die Herren waren tatsächlich überzeugt, dass der Anblick einiger Verräter am Galgen ausreichte, um schon den Versuch eines Aufstands in der Hauptstadt im Keim zu ersticken. Sie hatten keine Ahnung vom Volk. Sie wussten nichts vom Kampfesmut dieser Menschen. Keiner dieser angeblich einfachen Bauern, gegen die Dun seit Beginn des Kriegs kämpfen musste, hatte die Waffen niedergelegt, wenn seine Brüder neben ihm fielen. Ganz im Gegenteil. Er bemerkte den Blick, den der Baron Enain-Cassart zuwarf, als dieser sich dem Kaiser näherte.
»Ich nehme an, Ihr habt mich aus einem bestimmten Grund rufen lassen«, befand der General, um keinen Streit aufkommen zu lassen. »Und sicher nicht, um Euch Ratschläge bezüglich Eures Vorgehens zu geben. Dafür ist Bernevin besser geeignet.«
Bernevin überhörte die Spitze, wandte den Blick ab und hob das Kinn. Dun-Cadal hätte sich gewünscht, dass er reagierte, um ihm zu beweisen, dass er niemals die Oberhand erlangen würde. Nicht vor Reyes. Wenn der Kaiser den General hatte rufen lassen, dann sicher, um ihm die Verteidigung des Palasts anzuvertrauen. Aus welchem anderen Grund hatte er ihn sonst nicht wieder zu Negus an die Front geschickt?
Hinter der goldenen Maske schlossen sich die Augen des Kaisers. Er war es sich schuldig, richtig zu entscheiden, denn davon hingen nicht nur die gesamte Zukunft, sondern auch viele Menschenleben ab. Oder gab es noch etwas anderes, das ihn bedrückte? Er machte dem Bischof ein Zeichen. Sein Onkel griff sanft nach seiner Hand und lächelte bekümmert.
»Ich verstehe Euren Standpunkt, mein Freund. Ich verstehe ihn wirklich«, erklärte der Bischof und nickte. »Aber ich möchte Euch bitten, jetzt ebenso viel Verständnis zu zeigen, auch wenn es Euch schwerfällt.«
»Bitte?«, fragte Dun überrascht.
»Es steht nun einmal so geschrieben, General«, fügte der Bischof traurig hinzu. »Niemand kann den göttlichen Entschlüssen entrinnen.«
Am anderen Ende des Saals wurden Türen geöffnet. Ein Dutzend Soldaten trat so leise ein, dass Dun sie kaum hören konnte, ihre Anwesenheit jedoch spürte. Und plötzlich fiel ihm auf, dass jemand ganz Bestimmtes fehlte.
»Ihr habt selbst gesagt, dass sie recht haben.« Die Stimme des Kaisers zitterte. »Während sich der wütende Pöbel unter dem Kommando eines Verrückten unseren Toren nähert, haben ihre schädlichen Ideen die Stadt bereits infiltriert, und zwar schon seit langer Zeit.«
»Kaiserliche Hoheit …«, murmelte Dun.
Er konnte sich nicht erklären, was da angezettelt wurde. Aber wie hätte er es auch ahnen sollen? Sein Herz schlug plötzlich schneller. Logrid war nicht da. Die Hand des Kaisers , der persönliche Assassine des Herrschers, versteckte sich nicht hinter den Säulen, um seinen Herrn notfalls zu verteidigen, wie es seine Angewohnheit war. Für sein Fehlen konnte es nur einen Grund geben: Er war mit einem Auftrag unterwegs.
»Bernevin«, rief der Kaiser. »Tut, was Euch notwendig erscheint, um dem Volk begreiflich zu machen, dass ich keine Unruhe dulde, und dass jeder, der die Macht des Reichs infrage stellt, gnadenlos bestraft wird. Jeder, der sich zu Oratio von Uster bekennt, wird ebenfalls bestraft. Wir beginnen mit den Flüchtlingen aus den Salinen.«
»Zu Befehl, Kaiserliche Hoheit«, antwortete Bernevin und verbeugte sich tief.
»Kaiserliche Hoheit«, wiederholte Dun.
»Mein Freund, Ihr habt so viel für mich getan«, seufzte der Kaiser. »So viel. Und ich danke es Euch auf diese Weise. Aber Eure Gefühle haben Euch geblendet.«
»Was habt Ihr getan?«, fragte Dun beunruhigt.
Die Soldaten kamen näher.
»Ich habe diese Flüchtlinge aufgenommen …«, sagte der Kaiser mit zitternder
Weitere Kostenlose Bücher