Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
schien zu schwanken. Mit gesenktem Kopf lehnte er sich an eine Säule.
»Ist es geschehen?«, fragte Azdeki.
Logrid nickte kurz. Mit einer Geste befahl der Hauptmann den Soldaten, den tobenden General loszulassen. Erschöpft fiel Dun auf die Knie und schluchzte hemmungslos.
»Ihr habt nicht das Recht …«
»Da seht ihr den großen Dun-Cadal Daermon«, murmelte Azdeki.
Da seht ihr den großen Dun-Cadal Daermon …
»Es tut mir unendlich leid, mein Freund«, sagte der Kaiser mit unsicherer Stimme. »Ich hatte keine andere Wahl. Sein Verrat wird nie an die Öffentlichkeit dringen, aber sein Ruhm auf dem Schlachtfeld bleibt für alle Zeiten. Es musste sein, Dun-Cadal. Ich bin der Kaiser. Ich muss die schwierigsten Entscheidungen treffen. Es ist meine Pflicht.«
… den großen Dun-Cadal Daermon.
»Nehmt ihn in Gewahrsam, bis er wieder bei Sinnen ist.«
Da seht ihr …
Die feuchten Ausdünstungen des Verlieses. Das dumpfe Geräusch der eisernen Tür. Die Ohnmacht, nichts tun zu können, als nabele man ihn vom wirklichen Leben ab. Er hatte es bereits in Emeris erlebt, und jetzt erlebte er es in Masalia wieder.
»Da seht ihr den großen Dun-Cadal Daermon«, sagte eine Stimme.
Dun war eingeschlafen und hatte ihn nicht kommen hören. Die Worte weckten ihn nicht einmal unsanft, doch das harte Geräusch der ins Schloss fallenden Tür ließ ihn zusammenzucken. Die Abendsonne warf ein paar kümmerliche Strahlen durch die Luke, doch die Gestalt blieb einige Zeit im Schatten stehen.
Dun setzte sich auf und massierte sich den Nacken. Er wusste, wer zu Besuch gekommen war. Es bestand nicht der geringste Zweifel. Die feingliedrige Gestalt in der weißen Toga kannte er nur allzu gut.
»So sieht man sich wieder«, murmelte er.
»Nicht wahr?«, entgegnete der Mann ironisch.
Dun stützte die Stirn in die Hand und schwieg. Der nur wenige Schritte von ihm entfernte Schatten gab sich genau so arrogant wie vor wenigen Stunden am Hafen. Es war nicht Enain-Cassart, der den Tod verdient hatte.
»Tu dir keinen Zwang an, Etienne. Bitte, fühle dich ganz wie zu Hause.«
Etienne trat einen Schritt vor. Das kümmerliche Licht fiel auf sein bartloses, ausgemergeltes Gesicht, die Adlernase, die schmalen, fest zusammengepressten Lippen, die straff zurückgekämmten grauen Haare und den roten Umhang über der Schulter. Geringschätzig musterte er den Häftling.
»Ich war gerade dabei, mir die guten alten Zeiten ins Gedächtnis zurückzurufen«, sagte Dun spöttisch. »Damals, als man mich eingesperrt und der Kaiser dir die Verteidigung von Emeris anvertraut hat.«
»Vorbei ist vorbei«, antwortete Azdeki ruhig.
Am liebsten wäre Dun ihm an die Kehle gesprungen und hätte ihn so lang gewürgt, bis sein hochmütiges Gesicht endlich einmal Angst zeigte.
Azdekis Rang war ihm absolut unbegreiflich. Er, der sich als einer der Ersten gegen den Aufstand stark gemacht hatte und unbarmherzig gegen diejenigen vorgegangen war, die eine Republik gründen wollten, zählte heute zu deren führenden Köpfen. Der Feind von gestern war zum Freund geworden. Dun erschien das undenkbar. Für ihn blieb ein Feind ein Feind, und daran konnte auch die Zeit nichts ändern.
»Nur die Zukunft zählt, natürlich«, höhnte Dun. »Darf ich dir gratulieren? Du hast dich nach dem Ende des Kaiserreichs ja wirklich hervorragend aus der Affäre gezogen.«
Azdeki ging nicht darauf ein. Langsam, den Blick fest auf die allmählich dunkler werdende Luke geheftet, trat er an die Pritsche. Dun saß auf dem Bettrand und beobachtete ihn stumm. Dabei bemerkte er, dass der Saum der Toga mit Schlamm bespritzt war.
»Du bist also nicht tot«, stellte Azdeki fest.
»Wie du unschwer erkennen kannst. Und du? Ich hoffe, deine Politik ist geschickter als deine militärische Strategie.«
Er überlegte, ob er nicht vielleicht lieber tot gewesen wäre, als seine alten Freunde und Waffenbrüder reihenweise ihren Treueid gegenüber dem Kaiser missachten zu sehen.
»Ich dachte, du wärst beim Sturm auf Emeris gefallen. An dem Tag, als Reyes starb.«
»Als der Kaiser starb«, korrigierte Dun.
Azdeki nickte und setzte sich neben ihn.
»Ich habe Negus nicht getötet, Azdeki.«
»Das weiß ich«, antwortete der Ratsherr und verschränkte die schmalen weißen Hände. Hände, die viel zu gepflegt waren, um ein Schwert zu schwingen.
»Ich wollte ihn warnen, dass Logrid zurück ist. Deswegen bin ich hier«, fuhr Dun fort.
»Die Welt hat sich verändert, Daermon. Die Retter von
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