Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
Vom Netzwerk:
versteht.«
    Die Stimme des Kaisers klang durch die dicke Eisentür des Kerkers wie erstickt. Dun saß stumm vor Entrüstung im Dunkeln auf dem feuchten Boden und lehnte den Kopf gegen das kalte Metall. Mit den Fingern grub er Rillen in die Erde.
    »Trotzdem solltet Ihr mich nicht vorschnell verurteilen«, fuhr der Kaiser fort. »Genau das ist nämlich der Fluch der Macht. Um mein Reich zu bewahren muss ich manchmal Menschen Schmerzen zufügen, obwohl sie mir sehr nahestehen. Bitte, verurteilt mich nicht.«
    Er wartete, doch Dun schwieg.
    »Ich musste Euch schützen. Ich musste Euch einsperren, bis ihr Eure Ruhe und Euren Verstand wiedergefunden hattet. Versteht mich doch!«
    Sein Flehen fand kein Echo.
    »Ihr wusstet es, nicht wahr? Ihr wusstet, dass die Leute, die Laerte von Uster nahestehen, die Stadt unterwandert und meine treuesten Berater gegen mich aufgebracht hatten. Ihr habt es gewusst. Ich habe die Flüchtlinge aus den Salinen willkommen geheißen, weil ich dachte, damit etwas Gutes zu tun. Doch sie haben es mir übel vergolten. Es war leichtsinnig von mir zu glauben, dass eine verdorbene Frucht wieder frisch werden kann. Da war zum Beispiel die Tochter des Schmieds. Ihr Vater ist tot. Vielleicht wollte sie sich rächen – was weiß ich? Aber ich konnte keinesfalls zulassen, dass sie jemanden wie Euren Knappen verdarb. Sie brachte ihn gegen Euch auf, aber Ihr wolltet es nicht sehen, Dun-Cadal. Ritter Grenouille hat …«
    »Wagt es ja nicht, seinen Namen auszusprechen«, begehrte er auf. In seinen Augen standen Tränen, und seine Stimme grollte wie Donner, was die anschließende Stille umso deutlicher werden ließ. Die metallische Kühle der Tür durchdrang Duns Schädel. Immer noch kratzte er Linien in den Boden. Plötzlich schlug er mit der Stirn dreimal gegen die Tür. Der Schmerz war heftig, aber nicht heftig genug, um die Pein in seiner Seele zu überlagern.
    »Früher oder später hätte er sich auf ihre Seite geschlagen, Dun-Cadal«, sagte der Kaiser traurig. »Ihr wisst es, nicht wahr? Er liebte dieses Mädchen. Er hätte gar nicht anders gekonnt, als ihre Partei zu ergreifen. Für seine große Liebe ist ein junger Mann zu allem bereit. Auch dazu, sich zu verlieren. Es musste sein.«
    Der Kaiser klang seltsam. Es war, als plagten ihn Zweifel – oder als wage er nicht, etwas anderes zu behaupten. Dun war sicher, dass er nicht die ganze Wahrheit sagte.
    »Ich hatte keine andere Wahl«, wiederholte der Herrscher mit festerer Stimme. »Der einzig wirklich Schuldige ist dieser Laerte von Uster, der mein Volk gespalten hat. Aber Ihr dürft mir glauben, dass ich Emeris schützen werde. Und was Laerte angeht, so gönne ich ihm weder Rast noch Ruhe. Ich werde ihn hetzen wie ein wildes Tier.«
    Jedes Wort und jeder Satz klangen gesetzt und überlegt. Asham Ivani Reyes hatte sich dem General schon viele Male anvertraut, denn er kannte ihn seit seiner Kindheit. Hier jedoch ging es um mehr als Vertrauen. Der Kaiser bettelte um Vergebung.
    »Ich habe meine Mutter nie kennengelernt. Sie starb bei meiner Geburt, und mein Vater folgte ihr, als ich zehn Jahre alt war. Ich musste das Regieren schon sehr früh erlernen, mein Freund. Meine Aufgabe war es, mein Volk zu führen. Ihr habt mich von Anfang an beschützt und unterstützt. Ihr wart immer für mich da, Dun. Ihr seid ein ehrgeiziger Krieger, den ich zutiefst respektiere … Und eines Tages habe ich Eraëd auf Eure Schulter gelegt und Euch zum General erhoben. Habe ich Euch damit nicht höchste Wertschätzung bewiesen?«
    Er atmete tief durch. Seine Stimme klang erstickt und zittrig. Und sie klang krank.
    »Ihr wart der starke Mann aus dem Westen, der seinen hinfälligen Kaiser schützte. Einen gebrechlichen und dummen Kaiser. Ihr wart es wert, dass ich Euch persönlich zum Ritter schlug. Das Schwert, das ich trage, ist das Symbol des Kaiserreichs – wusstet Ihr das? Es steht für seine Macht, seine Schönheit und Stärke. Es ist stolz und gerecht und von perfekter Ausgeglichenheit. Man hält es für magisch. Es stammt aus uralten Zeiten und hat immer den Gürtel der Herrscher geziert. Es hat Jahrhunderte überdauert, die Zeit konnte ihm nichts anhaben. Es bedeutet viel mehr als Zeit oder Menschen und deren Schöpfungen. Die Klinge von Eraëd wird noch am Ende der Welt existieren. Man sagt, dass diese Klinge alles durchtrennen kann. Aber jetzt, wo sich mein Volk spaltet und der Aufstand niedergeschlagen werden müsste, habe ich dieses Schwert nicht ein

Weitere Kostenlose Bücher