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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Garten neigten die letzten Chrysanthemen die schweren nassen Köpfe. Die Frauen hatten in den vergangenen Wochen die Winterkleidung vorbereitet und Kaede war dankbar für die gesteppten Kleidungsstücke, die sie jetzt unter ihren Gewändern trug. Wenn sie dasaß, schrieb und las, wurden ihr Hände und Füße kalt. Bald würde sie sich um Kohlenpfannen kümmern müssen… sie fürchtete den Winter, auf den sie immer noch so wenig vorbereitet waren.
    Ayame kam geschäftig an die Tür und sagte besorgt: »Lord Fujiwara ist hier, Sir.«
    Kaede sagte: »Dann gehe ich«, legte den Pinsel weg und stand auf.
    »Nein, bleibe. Es wird ihn amüsieren, dich kennen zu lernen. Zweifellos will er hören, welche Neuigkeiten du aus dem Osten mitgebracht hast.«
    Ihr Vater ging zur Tür und trat hinaus, um seinen Gast willkommen zu heißen. Er drehte sich um und winkte Kaede, dann sank er auf die Knie.
    Der Hof war voller berittener Männer und anderer Bediensteter. Lord Fujiwara stieg aus einer Sänfte neben dem riesigen flachen Stein, der eigens zu diesem Zweck in den Garten gebracht worden war - Kaede erinnerte sich an jenen Tag ihrer Kindheit. Sie wunderte sich flüchtig, dass jemand sich entschied, so zu reisen, dann hoffte sie schuldbewusst, dass die Männer ihre Verpflegung mitgebracht hatten. Sie fiel auf die Knie, als einer der Diener dem Edelmann die Sandalen öffnete, der Lord sie abstreifte und das Haus betrat.
    Bevor sie zu Boden schaute, konnte sie gerade noch einen Blick auf ihn werfen. Er war groß und schlank, sein Gesicht weiß und wie eine Maske geformt, die Stirn ungewöhnlich hoch. Seine Kleidung war in gedämpften Farben gehalten, aber elegant und aus erlesenem Material. Er strömte einen verführerischen Duft aus, der Kühnheit und Originalität andeutete. Die Verbeugung ihres Vaters erwiderte er anmutig und antwortete auf die Begrüßung in höflicher, blumiger Sprache.
    Kaede verharrte bewegungslos, während er an ihr vorbei ins Zimmer ging, und atmete sein Parfüm ein.
    »Meine älteste Tochter«, sagte ihr Vater beiläufig und folgte seinem Gast. »Otori Kaede.«
    »Lady Otori«, hörte sie ihn sagen und dann: »Ich würde sie gern anschauen.«
    »Komm herein, Tochter«, sagte ihr Vater ungeduldig und sie gehorchte auf den Knien.
    »Lord Fujiwara«, murmelte sie.
    »Sie ist sehr schön«, bemerkte der Lord. »Lassen Sie mich ihr Gesicht sehen.«
    Sie hob die Augen und begegnete seinem Blick.
    »Bezaubernd.«
    In seinen zusammengekniffenen, abschätzenden Augen sah Kaede Bewunderung, doch kein Begehren. Es überraschte sie und sie lächelte leicht, doch unvorsichtig. Er wirkte ebenso überrascht und die strenge Linie seiner Lippen wurde weicher.
    »Ich störe Sie«, entschuldigte er sich und betrachtete die Schreibgeräte und die Schriftrollen. Dann gab er seiner Neugier nach. Er zog eine Augenbraue hoch. »Eine Lektion?«
    »Es ist nichts«, antwortete Kaedes Vater verlegen. »Die Torheit eines Mädchens. Sie werden mich für einen zu nachsichtigen Vater halten.«
    »Im Gegenteil, ich bin fasziniert.« Er griff nach der Seite, an der sie geschrieben hatte. »Darf ich?«
    »Bitte, bitte«, sagte ihr Vater.
    »Eine sehr schöne Schrift. Man glaubt kaum, dass sie von einem Mädchen ist.«
    Kaede spürte, wie sie errötete. Wieder wurde sie an ihre Kühnheit erinnert, mit der sie es wagte, Männerangelegenheiten zu lernen.
    »Mögen Sie Konfuzius?« Lord Fujiwara sprach sie direkt an und verwirrte sie damit noch mehr.
    »Ich fürchte, meine Gefühle ihm gegenüber sind gemischt«, antwortete sie. »Er scheint so wenig für mich übrig zu haben.«
    »Tochter«, tadelte ihr Vater, doch Fujiwara verzog wieder so den Mund, dass es einem Lächeln nahe kam.
    »Er kann eine so enge Bekanntschaft nicht vorausgesehen haben«, entgegnete er leichthin. »Ich glaube, Sie sind erst kürzlich aus Inuyama gekommen. Ich muss gestehen, dass mein Besuch zum Teil der Frage gilt, welche Neuigkeiten es gibt.«
    »Ich bin vor fast einem Monat gekommen«, sagte Kaede. »Nicht direkt aus Inuyama, sondern aus Terayama, wo Lord Otori begraben ist.«
    »Ihr Ehemann? Davon wusste ich nichts. Mein Beileid.«
    Sein Blick wanderte über ihre Figur. Nichts entgeht ihm, dachte sie. Er hat Augen wie ein Kormoran.
    »Iida hat seinen Tod herbeigeführt«, sagte sie ruhig, »und wurde dafür von den Otori getötet.«
    Fujiwara drückte erneut seine Anteilnahme aus, und sie berichtete kurz von Arai und der Lage in Inuyama, aber unter seiner

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