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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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kann, zeigt sein Genie.«
    »Sie lassen uns gar nichts«, sagte Kaede.
    »Wir geben Ihnen unsere Kinder. Ist das nicht ein gerechter Ausgleich?«
    Wieder hatte sie das Gefühl, er könne sie durchschauen. Ich mag ihn nicht, dachte sie, obwohl er faszinierend ist. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben, egal was Shizuka sagt.
    »Ich habe Sie beleidigt«, sagte er, als könnte er ihre Gedanken lesen.
    »Ich bin zu unwichtig für Lord Fujiwara, um sich mit mir zu befassen«, antwortete sie. »Meine Gefühle sind ohne Bedeutung.«
    »Ich interessiere mich sehr für Ihre Gefühle: Sie sind immer so ursprünglich und unerwartet.«
    Kaede schwieg. Nach einer Sekunde fuhr er fort: »Sie müssen kommen und sich unser nächstes Schauspiel ansehen. Es wird Atsiimori sein. Wir warten nur auf unseren Flötenspieler. Er ist ein alter Freund von Mamoru, der jetzt täglich eintreffen kann. Ist Ihnen die Handlung vertraut?«
    »Ja.« Ihre Gedanken konzentrierten sich auf die Tragödie. Später, als sie mit Ai und Shizuka im Gästezimmer lag, beschäftigte sie sich immer noch mit den Personen des Stücks: der Jüngling, so schön und musikalisch begabt, der raue Krieger, der ihn tötet, seinen Kopf raubt, dann aus Reue ein Mönch wird und den Frieden des Erleuchteten sucht. Sie dachte über Atsumoris Geist nach, der aus den Schatten ruft: Betet für mich. Auf dass meine Seele erlöst werde.
    Die ungewohnte Erregung, die Gefühle, die das Drama geweckt hatte, die späte Stunde machten sie unruhig. Während sie über den Flötenspieler Atsumori grübelte, lag sie im Halbschlaf und glaubte Flötentöne aus dem Garten zu hören. Das erinnerte sie an etwas. Von der Musik besänftigt, dämmerte sie gerade in den Schlaf hinüber, als es ihr einfiel.
    Sofort war sie wieder wach. Genau die gleiche Musik hatte sie in Terayama gehört. Der junge Mönch, der ihnen die Gemälde gezeigt hatte - hatte er nicht die gleichen Töne gespielt, die so viel Qual und Sehnsucht ausdrückten?
    Sie warf die Decke zurück und stand leise auf, schob den Wandschirm zur Seite und horchte. Sie hörte ein leises Klopfen, das Scharren der Holztür, die geöffnet wurde, Mamorus Stimme, die Stimme des Flötenspielers. Am Ende des Ganges beschien eine Lampe in der Hand eines Dieners kurz ihre Gesichter. Sie träumte nicht. Er war es.
    Shizuka flüsterte hinter ihr: »Ist alles in Ordnung?«
    Kaede zog den Wandschirm zurück und kniete sich neben sie. »Es ist einer der Mönche aus Terayama.«
    »Hier?«
    »Er ist der Flötenspieler, den sie erwartet haben.«
    »Makoto«, sagte Shizuka.
    »Ich wusste nie, wie er heißt. Wird er sich an mich erinnern?«
    »Wie kann er Sie vergessen?«, entgegnete Shizuka. »Wir werden früh abreisen. Sie müssen Krankheit vorschützen. Er darf nicht unerwartet mit Ihnen zusammentreffen. Versuchen Sie eine Weile zu schlafen. Ich wecke Sie bei Tagesanbruch.«
    Kaede legte sich hin, doch der Schlaf kam nur zögernd. Schließlich döste sie ein wenig und wachte auf, als Tageslicht hinter den Läden schimmerte und Shizuka neben ihr kniete.
    Sie fragte sich, ob es möglich sei, sich davonzustehlen. Der Haushalt regte sich bereits. Sie hörte, wie die Läden geöffnet wurden. Ihr Vater war immer früh wach. Sie konnte nicht aufbrechen, ohne ihm wenigstens Bescheid zu sagen.
    »Geh zu meinem Vater und sag ihm, dass ich mich nicht wohl fühle und nach Hause muss. Bitte ihn, mich bei Lord Fujiwara zu entschuldigen.«
    Shizuka kam nach ein paar Minuten zurück. »Lord Shirakawa ist höchst ungehalten darüber, dass Sie abreisen wollen. Er möchte wissen, ob Sie kräftig genug sind, ihn aufzusuchen.«
    »Wo ist er?«
    »Er ist in dem Zimmer mit Blick auf den Garten. Ich habe darum gebeten, dass Ihnen Tee gebracht wird, Sie sehen sehr blass aus.«
    »Hilf mir beim Ankleiden«, sagte Kaede. Tatsächlich fühlte sie sich schwach und krank. Der Tee belebte sie etwas. Ai war jetzt wach, sie lag unter der Decke und hatte vom Schlaf rote Wangen und dunkle Augen, die ihr freundliches Gesicht wie das einer Puppe aussehen ließen.
    »Kaede, was ist denn? Was ist los?«
    »Ich bin krank. Ich muss nach Hause.«
    »Ich komme mit dir.« Ai schob die Decke zurück.
    »Es wäre besser, du würdest bei Vater bleiben«, sagte Kaede. »Und mich bei Lord Fujiwara entschuldigen.«
    Impulsiv kniete sie nieder und streichelte ihrer Schwester das Haar. »Vertrete mich«, bat sie.
    »Ich glaube, Lord Fujiwara hat mich noch nicht einmal bemerkt«, sagte Ai. »Du hast ihn

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