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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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wurde. Es gab noch mehrere andere Jungen, die meisten sehr viel jünger, alle geborene Kikuta und in der Familie aufgewachsen. Am nächsten im Alter war mir ein kräftig gebauter junger Mann mit fröhlichem Gesicht, häufig machte man uns zu Partnern. Er hieß Hajime, und obwohl er nicht gerade Aldos Zorn von mir ablenkte - das offen zu tun wäre eine undenkbare Missachtung gewesen -, schaffte er es oft, ihn zu verringern. Er hatte etwas an sich, das mir gefiel, obwohl ich nicht behaupten konnte, dass ich ihm vertraute. Er konnte wesentlich besser kämpfen als ich. Er war Ringer und zugleich stark genug, um mit den riesigen Bogen der Meisterschützen zu schießen, doch bei den Fähigkeiten, die eher geschenkt als erlernt werden, kamen weder er noch die anderen meinen Talenten nahe. Erst jetzt erkannte ich, wie außerordentlich diese Begabungen waren. Ich konnte mich minutenlang unsichtbar machen, selbst in der kahlen Halle mit den weißen Wänden; manchmal war es sogar für Aldo unmöglich, mich zu sehen. Ich konnte mich beim Kampf spalten und vom anderen Ende des Raumes aus zusehen, wie mein Gegner mit meinem zweiten Ich rang. Ich konnte mich lautlos bewegen, mein Gehör wurde noch schärfer und die jüngeren Schüler lernten rasch, mir nie direkt in die Augen zu schauen. Ich hatte sie alle irgendwann eingeschläfert. Während ich diese Fähigkeit an ihnen erprobte, lernte ich langsam, sie zu beherrschen. Wenn ich in ihre Augen schaute, sah ich die Schwächen und Ängste, die sie für meinen Blick verwundbar machten: manchmal ihre eigenen inneren Ängste, manchmal Angst vor mir und den unheimlichen Kräften, die mir gegeben waren.
    Jeden Morgen machte ich mit Akio Übungen, um meine Kraft und Geschwindigkeit zu fördern. Ich war langsamer und schwächer als er auf fast allen Gebieten und er hatte nichts an Geduld dazugelernt. Aber ich muss zugeben, dass er entschlossen war, mir einige seiner Künste im Springen und Fliegen beizubringen, und dass er Erfolg hatte. Zum Teil war es bereits in mir angelegt - mein Stiefvater pflegte mich immerhin als wilden Affen zu bezeichnen - und Akios brutale, aber geschickte Unterweisung holte es an die Oberfläche und zeigte mir, wie es zu kontrollieren war. Schon nach ein paar Wochen wurde mir meine Veränderung bewusst, ich merkte, dass mein Geist und Körper wesentlich härter geworden waren.
    Wir beendeten das Training immer mit einem Boxkampf - der Stamm machte wenig Gebrauch von dieser Kunst, er zog das Attentat der offenen Auseinandersetzung vor, doch wir wurden alle darin ausgebildet. Dann saßen wir in stiller Meditation, ein Gewand um den abkühlenden Körper geschlungen, und hielten die Eigentemperatur allein durch Willenskraft auf gleicher Höhe. Meist schwirrte mir der Kopf von einem Schlag oder Sturz und ich leerte meinen Geist nicht, wie es erwartet wurde, sondern sagte mir grimmig immer wieder, wie gern ich Akio leiden sehen würde. In Gedanken setzte ich ihn der ganzen Folter von Jo-An aus, die er mir beschrieben hatte.
    Meine Ausbildung sollte mich zur Grausamkeit ermutigen und das griff ich damals bereitwillig auf; ich freute mich über die neuen Künste, die mir beigebracht wurden, und über die Verbesserung der Fertigkeiten, die ich mit den Otorisöhnen erlernt hatte, damals, als Shigeru noch lebte. Das Kikutablut meines Vaters wurde in mir lebendig. Das Mitgefühl, das ich von meiner Mutter kannte, verflüchtigte sich mit allen Lehren meiner Kindheit. Ich betete nicht mehr; weder der geheime Gott noch der Erleuchtete oder die alten Geister bedeuteten mir etwas. Ich glaubte nicht an ihre Existenz und sah keinen Beweis dafür, dass sie ihren Anhängern gut gesinnt waren. Manchmal wachte ich nachts plötzlich auf und hatte einen Moment der Selbsterkenntnis, der mich schaudern ließ vor dem, was aus mir wurde. Dann stand ich leise auf und ging, wenn es möglich war, zu Yuki, legte mich zu ihr und verlor mich in ihr.
    Nie verbrachten wir die ganze Nacht zusammen. Unsere Begegnungen waren immer kurz und meistens wortlos. Doch eines Nachmittags waren wir allein im Haus bis auf die Dienstboten, die im Laden zu tun hatten. Akio und Hajime waren mit den jüngeren Schülern zu einer Weihezeremonie in den Schrein gegangen, und ich sollte einige Dokumente für Gosaburo kopieren. Ich war dankbar für den Auftrag. Selten hielt ich einen Pinsel in der Hand, und weil ich so spät schreiben gelernt hatte, fürchtete ich immer, die Schriftzeichen würden mir verloren gehen. Der

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