Der Pfad im Schnee
Flusses, als die Flut einsetzte. Kummer überkam mich. Was tat ich hier, warum kehrte ich in der Nacht zurück wie ein Dieb? Fast unbewusst veränderte ich mein Gesicht und nahm wieder das Aussehen der Otori an.
Der Nachtigallenboden umgab das ganze Haus, aber für mich war er kein Hindernis. Selbst im Dunkeln konnte ich ihn immer noch überqueren, ohne dass er sang. Auf der anderen Seite stieg ich die Mauer zum Fenster des oberen Zimmers hinauf - den gleichen Weg hatte Shintaro, der Mörder und Angehörige des Stamms, vor über einem Jahr genommen. Oben horchte ich. Das Zimmer schien leer zu sein.
Die Läden hatte man zum Schutz vor der eisigen Nachtluft geschlossen, aber nicht verriegelt, und es fiel mir leicht, sie so weit auseinander zu schieben, dass ich durchkriechen konnte. Drinnen war es kaum wärmer und noch finsterer. Das Zimmer roch muffig und säuerlich, als wäre es seit langer Zeit abgeschlossen, als hätte niemand mehr darin gesessen außer Gespenstern.
Ich hörte die Bewohner des Hauses atmen und erkannte den Schlaf von jedem. Aber ich konnte nicht feststellen, wo sich der befand, den ich finden musste: Ichiro. Ich stieg die enge Treppe hinunter und kannte immer noch ihre knarrenden Stellen so genau wie meine Hände. Als ich unten war, merkte ich, dass es im Haus nicht völlig dunkel war, wie es von der Straße aus den Anschein gehabt hatte. Im hintersten Zimmer, das Ichiro bevorzugte, brannte eine Lampe. Leise ging ich darauf zu. Die Schiebetür aus Papier war geschlossen, doch die Lampe warf den Schatten des Alten darauf. Ich schob die Tür auf.
Er hob den Kopf und sah mich ohne Überraschung an. Er lächelte traurig und machte eine kleine Handbewegung. »Was kann ich für dich tun? Du weißt, dass ich alles tun würde, um dir Frieden zu bringen, aber ich bin alt. Ich habe die Feder mehr gebraucht als das Schwert.«
Ich flüsterte: »Lehrer, ich bin es. Takeo.« Ich betrat das Zimmer, schob die Tür hinter mir zu und fiel vor ihm auf die Knie.
Er schauderte, als hätte er zuvor geschlafen und sei gerade aufgewacht oder aus der Welt der Toten von den Lebenden zurückgerufen worden. Er fasste mich an den Schultern und zog mich zu sich ins Lampenlicht. »Takeo? Bist du es wirklich?« Er strich mir über den Kopf, die Gliedmaßen, wie um sich zu vergewissern, dass ich keine Erscheinung war, wobei ihm Tränen über die Wangen liefen. Dann umarmte er mich und drückte meinen Kopf an seine Schulter, als wäre ich sein lange verlorener Sohn. Ich spürte, wie seine magere Brust sich hob und senkte.
Er schob mich etwas zurück und schaute mir ins Gesicht. »Ich dachte, du seist Shigeru. Er besucht mich nachts oft. Er steht dort unter der Tür. Ich weiß, was er will, aber was kann ich tun?« Mit dem Ärmel wischte er sich die Tränen ab. »Du gleichst ihm. Es ist geradezu unheimlich. Wo bist du die ganze Zeit gewesen? Wir glaubten, auch du seist ermordet worden, aber weil alle paar Wochen jemand herkommt und dich sucht, nahmen wir an, du seist noch am Leben.«
»Der Stamm hat mich versteckt.« Ich fragte mich, wie viel er über meine Herkunft wusste. »Zuerst in Yamagata, in den beiden letzten Monaten in Matsue. Ich habe ein Abkommen mit ihnen getroffen. Sie haben mich in Inuyama entführt, aber wieder freigelassen, damit ich ins Schloss gehen und Lord Shigeru holen konnte. Dafür war ich bereit, in ihre Dienste zu treten. Du weißt vielleicht nicht, dass ich durch meine Abstammung mit ihnen verbunden bin.«
»Nun, das habe ich vermutet«, sagte Ichiro. »Warum wäre Muto Kenji sonst hier aufgetaucht?« Er nahm meine Hand und drückte sie bewegt. »Jeder kennt die Geschichte, wie du Shigeru gerettet und Iida aus Rache getötet hast. Ich scheue mich nicht dir zu sagen, dass ich immer fand, er begehe einen schweren Fehler mit deiner Adoption, aber du hast alle meine Befürchtungen zerstreut und alles, was du ihm geschuldet hast, in jener Nacht bezahlt.«
»Nicht alles. Die Otorilords haben ihn an Iida verraten und sind immer noch nicht bestraft.«
»Bist du deshalb gekommen? Das würde seinem Geist Ruhe schenken.«
»Nein, der Stamm hat mich geschickt. Sie glauben, dass Lord Shigeru Berichte über sie aufbewahrte, und die wollen sie haben.«
Ichiro lächelte schief. »Er hatte Aufzeichnungen über viele Dinge. Ich sichte sie jede Nacht. Die Otorilords behaupten, deine Adoption sei nicht rechtmäßig und überhaupt seist du wahrscheinlich tot, deshalb habe Shigeru keine Erben und seine Ländereien
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