Der Pfad im Schnee
er?«
»Ich habe ihn auf der Straße draußen zurückgelassen. Jetzt könnte er überall sein.«
»Nun, du hörst ihn zuerst, nicht wahr? Und was ist mit den Streichen, die du mir gespielt hast? Immer wenn ich glaubte, dass du lernst, warst du anderswo.«
»Lehrer«, begann ich und wollte mich entschuldigen, doch er bedeutete mir zu schweigen. »Ich verzeihe dir alles. Nicht meine Unterweisungen haben dich befähigt, Shigeru aus Inuyama herauszubringen.«
Er ging wieder aus dem Zimmer und kam mit einem Beutel Münzen und einigen in Tang verpackten Reiskuchen zurück. Ich hatte weder Tragetuch noch Schachtel, worin ich sie verstauen konnte, und ich musste ohnehin beide Hände frei haben. Also band ich das Geld in mein Lendentuch unter den Kleidern und steckte die Reiskuchen in den Gürtel.
»Findest du den Weg?« Er wurde hektisch wie in der Vergangenheit, wenn es um einen Schreinbesuch oder einen anderen Ausflug ging.
»Ich glaube schon.«
»Ich schreibe dir einen Brief, mit dem du durch die Grenzsperre kommst. Du bist ein Diener dieses Hauses - so siehst du aus - und bereitest meinen Besuch im Tempel vor, der für nächstes Jahr geplant ist. Ich werde dich in Terayama treffen, wenn der Schnee geschmolzen ist. Warte dort auf mich. Shigeru war mit Arai verbündet. Ich weiß nicht, wie ihr zueinander steht, aber du solltest Arais Schutz suchen. Er wird für jede Information dankbar sein, die er gegen den Stamm verwenden kann.«
Er nahm den Pinsel und schrieb schnell etwas. »Kannst du noch schreiben?«, fragte er, ohne aufzuschauen.
»Nicht sehr kunstvoll.«
»Du hast den ganzen Winter zum Üben.« Er versiegelte den Brief und stand auf. »Übrigens, was ist mit Jato geschehen?«
»Das Schwert ist wieder in meine Hände gekommen. Es wird in Terayama für mich aufbewahrt.«
»Zeit, es zu holen.« Er lächelte wieder und brummte: »Chiyo bringt mich um, weil ich sie nicht geweckt habe.«
Ich schob den Brief in meine Kleidung und wir umarmten uns.
»Ein seltsames Schicksal bindet dich an dieses Haus«, sagte er. »Ich glaube, es ist ein Band, dem du nicht entfliehen kannst.« Seine Stimme versagte und ich sah, dass er wieder den Tränen nahe war.
Ich flüsterte: »Ich weiß. Ich werde alles tun, was du vorschlägst.« Ich wusste, dass ich dieses Haus und Erbe nicht aufgeben konnte. Sie gehörten mir. Ich würde sie zurückfordern. Alles, was Ichiro sagte, war vollkommen vernünftig. Ich musste vor dem Stamm fliehen. Shigerus Aufzeichnungen würden mich vor ihm schützen und bei Verhandlungen mit Arai meine Position stärken. Wenn ich nur Terayama erreichen würde…
KAPITEL 7
Ich verließ das Haus so, wie ich gekommen war, durch das obere Fenster, die Mauer hinunter und über den Nachtigallenboden. Er schlief unter meinen Füßen, doch ich schwor, ihn singen zu lassen, wenn ich das nächste Mal darüber ging. Ich erklomm nicht die Mauer, um zur Straße zurückzukommen. Stattdessen lief ich leise durch den Garten, machte mich unsichtbar und kletterte durch die Öffnung, durch die der Bach in den Fluss strömte, wobei ich mich an die Steine klammerte wie eine Spinne. Ich sprang ins nächste Boot, band es los, nahm das Ruder, das im Heck lag, und fuhr auf den Fluss hinaus.
Das Boot ächzte leicht unter meinem Gewicht und die Strömung klatschte stärker dagegen. Zu meinem Schrecken hatte sich der Himmel aufgeklärt. Es war viel kälter und unter dem Dreiviertelmond viel heller. Ich hörte Schritte am Ufer, schickte mein Ebenbild zurück zur Mauer und duckte mich ins Boot. Doch Akio ließ sich durch mein zweites Ich nicht täuschen. Er sprang von der Mauer, als würde er fliegen. Ich wurde wieder unsichtbar, obwohl ich wusste, dass es ihm gegenüber wahrscheinlich zwecklos war, und machte knapp über der Wasseroberfläche einen Satz aus meinem Boot in ein anderes, das am Flussdamm lag. Mühsam band ich das Seil los und stieß mich mit dem Ruder ab. Ich sah, wie Akio landete und in dem schaukelnden Kahn sein Gleichgewicht wiederfand; dann sprang und flog er wieder, während ich mich spaltete, das zweite Ich in einem Boot ließ und zurück in das andere stürzte. Ich spürte den Luftzug, als wir aneinander vorbeischossen. Ich bremste meinen Fall ins erste Boot, nahm das Ruder und gebrauchte es schneller als je im Leben. Mein zweites Ich löste sich auf, als Akio es packte, und ich sah, wie er wieder springen wollte. Es gab keine Fluchtmöglichkeit, außer ich tauchte in den Fluss. Ich zog das Messer und als
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