Der Pfad im Schnee
nicht ist? Sie starb fast an einer Fehlgeburt.«
Ich war sprachlos.
Makoto sagte: »Ihr Vater befragte mich über die Heirat. Ich wusste, dass sie nicht in Terayama stattgefunden hatte. Ich versuchte ausweichend zu antworten, aber er hatte bereits seinen eigenen Verdacht und ich hatte genug gesagt, um den zu bestätigen. Ich wusste es damals nicht, aber er war sehr labil und hatte oft davon gesprochen, sich das Leben zu nehmen. Er schlitzte sich in ihrem Beisein den Bauch auf und der Schock muss die Fehlgeburt ausgelöst haben.«
Ich sagte: »Es war mein Kind. Sie hätte meine Frau sein sollen. Sie wird es werden.«
Aber während ich meine eigenen Worte hörte, erschien mir mein Verrat an Kaede umso erschreckender. Würde sie mir je vergeben?
»Das habe ich angenommen«, sagte er. »Aber wann? Was hast du dir dabei gedacht? Eine Frau von ihrem Rang und ihrer Familie?«
»Wir dachten an den Tod. Es war in der Nacht, in der Shigeru starb und Inuyama fiel. Wir wollten nicht sterben, ohne…« Ich konnte nicht weiterreden.
Nach kurzer Pause sagte Makoto: »Ich konnte nicht mehr mit mir leben. Meine Leidenschaft hatte mich tief in die Welt des Leidens zurückgeführt. Ich spürte, dass ich einem anderen empfindsamen Wesen nicht wieder gutzumachenden Schaden zugefügt hatte, selbst wenn es nur eine Frau war. Doch zugleich wünschte ein eifersüchtiger Teil von mir, dass sie starb, weil ich wusste, dass du sie liebtest und dass sie dich geliebt haben muss. Du siehst, ich verheimliche nichts vor dir. Ich muss dir das Schlimmste über mich sagen.«
»Ich wäre der Letzte, der dich verurteilt. Mein Verhalten war in seinen Auswirkungen weit grausamer.«
»Aber du gehörst zu dieser Welt, Takeo, du lebst mittendrin. Ich wollte anders sein. Selbst das wurde mir als abscheulichster Stolz enthüllt. Ich kehrte nach Terayama zurück und bekam die Erlaubnis des Abts, mich in diese kleine Hütte zurückzuziehen, wo ich mein Flötenspiel und jede Leidenschaft, die noch in mir war, dem Dienst am Erleuchteten widmen wollte, ohne auf die Erleuchtung durch ihn zu hoffen, weil ich ihrer völlig unwürdig bin.«
»Wir alle leben mitten in der Welt«, sagte ich. »Wo sonst kann man leben?« Während ich sprach, war mir, als hörte ich Shigerus Stimme: Genau wie der Fluss immer vor der Tür ist, so ist die Welt immer draußen. Und in der Welt müssen wir leben.
Makoto starrte mich an, sein Gesicht wirkte plötzlich offen, die Augen leuchtender. »Ist das die Botschaft, die ich hören soll? Bist du deshalb zu mir gesandt worden?«
»Ich kenne kaum meine Pläne für mein eigenes Leben«, antwortete ich. »Wie kann ich deine begreifen? Aber das war eines der ersten Dinge, die ich von Shigeru lernte. In der Welt müssen wir leben.«
»Dann wollen wir es als einen Befehl von ihm verstehen«, sagte Makoto und ich sah, wie die Kraft in ihn zurückströmte. Er schien sich mit dem Tod abgefunden zu haben, doch jetzt kehrte er vor meinen Augen ins Leben zurück. »Planst du jetzt, seine Wünsche zu erfüllen?«
»Ichiro hat mir gesagt, dass ich Rache an seinen Onkeln nehmen und mein Erbe beanspruchen muss, und das habe ich vor. Aber wie ich es erreichen soll, weiß ich nicht. Und ich muss Lady Shirakawa heiraten. Das war ebenfalls Shigerus Wunsch.«
»Lord Fujiwara will sie heiraten«, sagte Makoto vorsichtig.
Ich wollte davon nichts hören. Ich konnte nicht glauben, dass Kaede einen anderen heiraten würde. Ihre letzten Worte für mich waren gewesen: Ich werde nie einen anderen als dich lieben. Und davor hatte sie gesagt: Ich bin nur bei dir sicher. Ich kannte den Ruf, der ihr anhaftete, dass jeder Mann, der sie berührte, starb. Ich hatte bei ihr gelegen und lebte. Ich hatte ihr ein Kind geschenkt. Und ich hatte sie verlassen, sie war fast gestorben, sie hatte unser Kind verloren - würde sie mir je verzeihen?
Makoto fuhr fort: »Fujiwara zieht Männer den Frauen vor. Aber er scheint von Lady Shirakawa besessen zu sein. Er beabsichtigt eine Scheinehe, um ihr seinen Schutz zu geben. Vermutlich ist ihm auch ihre Erbschaft nicht gleichgültig. Shirakawa ist in einem erbärmlichen Zustand, aber da ist immer noch Maruyama.«
Als ich nichts dazu sagte, murmelte Makoto: »Er ist ein Sammler. Sie wird eines seiner Besitztümer werden. Seine Sammlung kommt nie ans Tageslicht. Sie wird nur wenigen privilegierten Freunden gezeigt.«
»Das darf nicht mit ihr geschehen!«
»Hat sie eine Wahl? Sie hat Glück, nicht völlig entehrt zu sein. Dass
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