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Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake

Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake

Titel: Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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wäre es, wenn sie nicht alle schon tot wären.«
    »Tja, leider weiß die Welt der Literatur lebendige Schriftsteller nicht besonders zu schätzen. Um ein ›großer Autor‹ zu werden, muss man erst sterben.«
    Lane dachte, dass er sich in diesem Punkt irrte. Es widerstrebte ihr zwar, seine Ansichten in Frage zu stellen, doch andererseits schien er gerne mit seinen Schülern zu diskutieren. Außerdem würde er sich, wenn sie nichts sagte, wieder seinen Aufsätzen zuwenden.
    »Mein Vater hält das für einen Mythos.« Sie kletterte auf den Hocker, nahm ein Bild von Hemingway und hielt es an die Wand. »Die meisten dieser Leute waren schon zu Lebzeiten sehr erfolgreich und berühmt.« Lane drückte eine Heftzwecke durch die Ecke des Bildes. »Nur wenige wurden erst nach ihrem Tod entdeckt. Poe zum Beispiel.«
    Sie bückte sich nach einem Bild von Steinbeck und blickte zu Mr. Kramer. Er lächelte und nickte.
    »Und Poe war völlig durchgeknallt.«
    Mr. Kramer lachte. »Sonst hätte er wohl nicht solche Sachen schreiben können.«
    »Ich weiß nicht.« Sie richtete sich auf und hielt das Bild an die Wand. »Mein Vater schreibt schlimmere Sachen als Poe, und er macht einen ziemlich normalen Eindruck. Ich habe einen ganzen Haufen Horrorautoren kennengelernt – auf Kongressen und so.« Sie befestigte das Bild, drehte sich vorsichtig auf dem Hocker um und sah zu Mr. Kramer. »Einige davon sind richtig gute Freunde meines Vaters, Leute, die ich seit Ewigkeiten kenne. Fast keiner von ihnen ist irgendwie seltsam. Eigentlich sind sie sogar normaler und angepasster als die meisten anderen Leute, die ich kenne.«
    »Das ist kaum zu glauben.«
    »Ich weiß. Man könnte meinen, sie wären alle tobende Irre, stimmt’s?«
    »Oder zumindest ein wenig seltsam.«
    »Wissen Sie, was wirklich seltsam ist? Diese Autoren haben fast alle einen unglaublichen Sinn für Humor. Sie sorgen regelmäßig dafür, dass ich mich fast totlache.«
    »Eigenartig. Vielleicht ist ihr Humor ein Resultat ihrer schrägen Weltsicht.«
    »Ganz bestimmt.« Lane stieg vom.Hocker und rückte ihn näher zu Mr. Kramer. Als sie wieder hinaufstieg, nahm sie ein Bild von Faulkner von der Kreideablage. Sie befestigte es an der Wand. Hinter ihr ertönte ein Quietschen, und sie sah über die Schulter. Mr. Kramer hatte sich mit seinem Stuhl umgedreht und blickte sie an.
    Er sagte nichts.
    Lane bückte sich nach einem weiteren Bild und sagte: »Apropos tote Autoren und Ruhm …«
    »Alles nur ein Mythos.«
    »Genau. Soll ich Ihnen noch was sagen? Das Gegenteil ist wahr. Zumindest heute.« Sie hängte das Bild von Robert Frost auf. »Wenn ein Autor ins Gras beißt, ist er erledigt.«
    Lane hörte ihren Lehrer lachen. Sie wandte sich zu ihm und lächelte ihn an. »Die Verleger wollen einen Schriftsteller formen . Und wenn er tot ist, wollen sie ihn nicht mehr anfassen.«
    Wieder lachte Mr. Kramer.
    »Es ist wahr. Außer es handelt sich um einen ganz Großen. An den meisten verlieren sie einfach das Interesse. Ich weiß von einem Agenten, der es geheim gehalten hat , dass eine seiner besten Autorinnen gestorben ist. Sie hat Liebesromane geschrieben. Ihr Tod hätte ihn ein Vermögen kosten können. Also engagierte er einen Lohnschreiber und ließ ihn ihren Stil imitieren. Dann hat er die Bücher unter dem Namen der toten Autorin verkauft. Können Sie sich das vorstellen?«
    »Da bekommt der Ausdruck ›unsterblicher Autor‹ eine ganz neue Bedeutung.«
    »Ja, das kann man wohl sagen.«
    Lane nahm ein Bild von Carl Sandburg und wollte es aufhängen. Doch dann stellte sie fest, dass sie den Hocker hätte verschieben sollen. Das Bild von Frost hing schon ein Stück links von ihr. Sie musste sich also strecken, um Sandburg noch daneben zu befestigen. Aber sie glaubte, es trotzdem hinzubekommen.
    Sie beugte sich nach vorn und stützte den rechten Unterarm gegen die Tafel. Dann streckte sie sich mit dem Bild von Sandburg nach links und hielt das Bild an die Wand. Der Hocker kippte.
    »Oh Scheiße!«, hörte Lane sich keuchen.
    Ein Teil ihres Bewusstseins schien sich von ihr zu lösen, einen Schritt zurückzutreten und das lächerliche und peinliche Ereignis zu beobachten. Sie sah sich selbst zur Seite fallen, die Arme wirbelten über ihrem Kopf, ihr rechtes Bein flog nach oben, als hätte der umschlagende Hocker es zur Decke geworfen. Der Rock hing um ihre Hüfte. Die Bluse rutschte bis zum Brustkorb hoch.
    Na toll, großartig.
    Sie hörte einen Aufprall, aber es war nicht ihr

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