Der Pfeil der Rache
langsamer Eindringlichkeit, »sondern sie in der Euren. Und zwar von Anfang an: Ihr habt ihr das Leben gerettet, schon vergessen? Ich wünschte, Ihr hättet Euch nicht wieder in die Nähe des Hofes von ihr zerren lassen.« Er wurde laut: »Ihr wollt nach Portchester? Ihr seid nicht bei Trost! Und wenn Ihr Rich begegnet?«
»Der gesamte Kronrat campiert vor der Stadt. Nur die Königin bleibt im Schloss, und demnach auch ihr Gefolge.«
»Was wollt Ihr Warner überhaupt sagen?«
»Ihm ein paar unangenehme Fragen stellen.«
»Dies ist kein Mut mehr, sage ich Euch. Es ist halsstarrige, verblendete Sturheit.«
»Du brauchst nicht mitzukommen.«
Wie er mich ansah, erkannte ich, dass er des Problems müde war, ein für alle Mal. Er sagte leise: »Das habt Ihr schon behauptet, ehe wir hierhergeritten sind. Ich habe Euch dennoch begleitet, wie stets auf dieser vermaledeiten Reise. Und wisst Ihr auch, warum? Weil ich mich geschämt habe, zutiefst geschämt, seit wir unterwegs diese jungen Soldaten trafen, deren Schicksal ich nicht teilen wollte. Aber so groß ist meine Scham nun auch wieder nicht, dass ich Euch in die Höhle des Löwen folge. Das war’s. Wenn Ihr nach Portchester Castle reiten wollt, dann reitet, aber diesmal allein.«
»Wenn ich gewusst hätte, wie sehr du –«
»Nein. Ich war Euch nur von Nutzen. Wie der bedauernswerte Leacon.«
»Das ist ungerecht«, sagte ich gekränkt.
»So? Zweimal habt Ihr Euch seiner bedient, um an West heranzukommen, obwohl er für eine ganze Kompanie die Verantwortung trägt. Aber die Anzahl der Gefallen, die man jemandem schuldet, ist nicht unendlich.« Er wandte sich ab und legte sich wieder hin.
Ich saß schweigend da. Draußen lärmten zwei Trunkenbolde durch die Gasse. »König Harry kommt!«, plärrten sie. »Der König kommt und treibt die Franzmänner aus dem Land!«
kapitel vierzig
B arak und ich redeten nur noch wenig an diesem Abend, besprachen lediglich die Etappen der bevorstehenden Reise, mit unbehaglicher, zurückhaltender Höflichkeit. Jetzt dämmerte mir erst, wie schwer es ihm gefallen war, mich bei meiner Mission zu unterstützen, zumal er sie in zunehmendem Maße als Manie meinerseits betrachtet hatte. Er hatte es augenscheinlich aufgegeben, mit mir zu streiten, was mich mehr verstörte als jedes barsche Wort. Wir gingen früh zu Bett, aber ich fand lange keinen Schlaf.
Wir hatten den Wirt gebeten, uns um sieben Uhr früh zu wecken, aber der Unglücksmensch vergaß es und weckte uns erst nach acht. So begann einer der ereignisreichsten und schrecklichsten Tage meines Lebens. Barak und ich fuhren hastig in die Kleider, zogen die Stiefel an und eilten ohne Morgenbrot zu den Ställen. Als wir in die Oyster Street einbogen, war sie schon von Soldaten gesäumt, die mit blankpolierten Helmen und Hellebarden den König erwarteten. Eine prächtige, mit einem Baldachin versehene Barkasse lag vertäut am Kai, ein Dutzend Männer an den Rudern. Draußen auf See warteten die Schiffe, und von den Marsstengen flatterten in den Tudorfarben Grün und Weiß an die achtzig Fuß lange Bänder.
Um Zeit zu sparen, mieden wir die Hauptstraßen und nahmen einen Weg, der zwischen den Gemeindefeldern hindurch auf das Stadttor zuführte. Es war Samstag, der achtzehnte Juli, wieder ein wunderschöner Sommermorgen. Überall warteten Soldaten mit Helmen und Steppwämsern und gelegentlich auch Brigantinen vor ihren Zelten, zeigten sich Offiziere hoch zu Ross in blanken Brustpanzern und gefiederten Helmen und erinnerten mich an jene erste Musterung in London vor knapp einem Monat.
»Nimmt der König etwa diesen Weg?«, fragte Barak.
»Ich dachte, er bevorzuge die High Street. Vermutlich muss man sich allenthalben bereithalten.«
»Verflucht!«, stieß er aus. »Seht dort!« Er deutete auf einen bärtigen Burschen, der in Habtachtstellung, die Hellebarde in der Faust, neben einem berittenen Offizier stand und mit feierlicher Wichtigkeit die Stirn runzelte.
Ich sperrte Mund und Augen auf. »Goodryke!« Es war der Feldwebel, der Barak unbedingt hatte rekrutieren wollen. Letzterer drehte den Kopf zur Seite, und wir ritten geschwind vorüber.
* * *
Wo die Straßen der Stadt am Tor zusammenliefen, herrschte ein großes Gedränge. Viele Menschen waren zu Pferde, Kaufleute dem Aussehen nach. Sie wollten das Tor passieren, aber Soldaten drängten sie zurück. »Ich erwarte heute fünf Wagenladungen Weizen«, schrie ein rotgesichtiger Mann. »Ich muss hinaus auf die Landstraße und
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