Der Pilot von der Donau
nur nicht beliebig kommandieren. Im vorliegenden Falle sind meine Befürchtungen ja auch nicht so unbegründet, da wir jetzt durch eine besonders übel berüchtigte Gegend fahren.
– Eine übel berüchtigte? stieß Ilia Brusch hervor. Was verstehen Sie darunter? Ich, der ich mit Ihnen spreche, wohne selbst hier, habe aber noch niemals gehört, daß das Land in schlechtem Rufe stände!«
Jetzt war die Reihe des Erstaunens an Jäger.
»Sprechen Sie im Ernst, Herr Brusch? rief er. Da wären Sie der einzige, der das nicht wüßte, was von Bayern bis Rumänien jedem Kinde bekannt ist.
– Ja, was denn? fragte Ilia Brusch.
– Sapperment! Daß eine Bande bisher unfaßbarer Verbrecher die beiden Ufer der Donau, von Preßburg bis zu ihrer Mündung, fast regelmäßig heimsucht.
– Das ist wahrlich das erste Mal, daß ich davon reden höre, erklärte Ilia Brusch mit scheinbar aufrichtigem Stimmklang.
– Unmöglich! rief Jäger erstaunt. Man spricht ja von einem Ende des Stromes bis zum andern von keiner andern Sache.
– Ja ja, man erfährt doch alle Tage etwas neues, bemerkte Ilia Brusch lässig. Sind denn diese Räubereien schon längre Zeit vorgekommen?
– Etwa seit achtzehn Monaten, belehrte ihn Jäger. Und wenn es sich nur um Diebstähle und Räubereien handelte! Die Burschen schrecken aber auch vor einem Morde nicht zurück. In den achtzehn Monaten schreibt man ihnen wenigstens zehn Mordtaten zu, deren Urheber unbekannt geblieben sind. Gerade der letzte Mord ist kaum fünfzig Kilometer von hier begangen worden.
– Dann begreife ich allerdings Ihre Unruhe, lenkte Ilia Brusch ein. Vielleicht hätte ich sie selbst geteilt, wenn ich besser unterrichtet gewesen wäre. Zukünftig werden wir, soweit das irgend möglich ist, am Abend in der Nähe eines Dorfes oder einer Stadt Halt machen, und das soll schon heute der Fall sein, wo ich Gran zu erreichen hoffe.
– Ah, dort werden wir ruhig sein können, äußerte Jäger beifällig. Gran ist ja eine bedeutende Stadt.
– Mir ist es desto lieber, fuhr Ilia Brusch fort, daß Sie sich dort in Sicherheit befinden werden, da ich Sie die nächste Nacht allein zu lassen denke.
– Sie haben die Absicht, sich zu entfernen?
– Ja, Herr Jäger, doch nur für wenige Stunden. Von Gran, wo ich zu früher Stunde einzutreffen hoffe, gedachte ich einen Abstecher nach Szalka zu machen, wohin es von da aus nicht weit ist. Dort wohne ich, wie Sie ja wissen. Ich werde übrigens vor Sonnenaufgang zurück sein und unsre Abfahrt morgen früh wird also in keiner Weise verzögert werden.
– Nun wie es Ihnen beliebt, Herr Brusch, beendete Jäger das Zwiegespräch. Ich begreife ja vollständig, daß es Sie drängt, einmal Ihr Heim aufzusuchen, und ich wiederhole: in Gran ist sicher nichts zu fürchten.«
Eine halbe Stunde lang blieb es auf der Jolle still. Nach diesem Zwischenakte aber nahm Karl Dragoch einen neuen Anlauf.
»Es ist wirklich sonderbar, begann er, daß Sie von den Verbrechen längs der Donau nichts gehört haben sollten, ja, desto merkwürdiger, als man sich wenige Tage nach dem Angelwettstreit von Sigmaringen ganz besonders mit dieser Angelegenheit beschäftigte.
– Damals? Weswegen denn? fragte Ilia Brusch.
– Wegen der Errichtung einer besondern Polizeibrigade unter dem Befehl eines Chefs, eines gewissen Karl Dragoch, der von Budapest her den Ruf eines geschickten Detektivs genießt.
– Na, der wird schwer zu tun haben, bemerkte Ilia Brusch, dem jener Name nicht aufzufallen schien. Die Donau ist lang, und leicht kanns doch nicht sein, Leute aufzuspüren, die man nicht einmal kennt.
– Da täuschen Sie sich doch etwas, wendete Jäger gegen diese Worte ein. Die Polizei wird nicht so blind vorzugehen haben. Aus den Angaben von Zeugen ist zunächst ein ziemlich vollständiges Signalement des Anführers der Bande hervorgegangen.
– So? Und wie soll der Bursche denn aussehen? fragte Ilia Brusch.
– Im großen und ganzen wie ein Mann Ihres Schlags….
– Oho… danke schön! unterbrach ihn Ilia Brusch lachend.
– Ja, fuhr Jäger fort, angeblich wäre er von Ihrer Größe und Stärke, im übrigen aber gliche er Ihnen nicht.
– Das ist ja ein wahres Glück! rief Ilia Brusch mit sichtbarer, komisch angehauchter Erleichterung.
– Er soll, wie man sagt, schöne blaue Augen haben und nicht wie Sie, gezwungen sein, eine Brille zu tragen. Während Sie ferner sehr brünett und glatt rasiert sind, soll er angeblich einen blonden Vollbart haben. Bezüglich des
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