Der Pilot
sich weit vor, öffnete den Mund und trank den Wind ihrer Reise. Sie verspürte den Wunsch, die Arme in die Luft zu werfen und laut zu jauchzen, doch sie widerstand dem Drang, da sie die Mosgoth nicht aus dem Gleichgewicht bringen wollte.
»Wird sie nicht müde, wenn sie das doppelte Gewicht tragen muß?« rief sie Han hinter sich zu.
Seine Stimme erklang fast im Innern ihres Ohrs. Sie spürte die Wärme seiner Atemzüge. »Sie ist daran gewöhnt, männliche Togorianer im Sattel zu haben. Du und ich, wir wiegen zusammen nicht mal so viel wie Muuurgh – oder sogar wie einer der kleineren Togorianer. Kadyss geht es gut.«
Eine halbe Stunde später wurde der Fluß, dessen Lauf sie gefolgt waren, immer breiter und verzweigte sich schließlich zu einem ausgedehnten Delta. Han lenkte die Mosgoth nach Norden, und nach ein paar weiteren Minuten erblickte Bria gekräuselte weiße Wellen, die sich auf silbernem und goldenem Sand brachen.
Sie drehte sich um und lächelte Han aufgeregt an. »Der Strand!«
»Ich habe mir fest vorgenommen, daß wir beide eines Tages einen richtigen Strand besuchen«, erklärte er. »Wo wir schwimmen gehen können, ohne uns Sorgen darüber machen zu müssen, ob wir vielleicht gefressen werden.«
Er dirigierte die Mosgoth immer tiefer und tiefer, bis sie schließlich auf dem Sand aufsetzte. Han legte ihren Flügeln Fesseln an und überließ sie sich selbst, damit sie in den nahe gelegenen Salzmarschen nach Futter suchen konnte. Dann kam er mit einer Decke auf der Schulter und ihrer Verpflegung zurück.
»Zuerst schwimmen«, erkundigte er sich, »oder lieber zuerst essen?«
Bria betrachtete die mit weißem Schaum gekrönte Brandung und fühlte die Anziehungskraft des Wassers. Ihre Familie besaß auf Corellia ein Strandhaus, und sie liebte es, im Meer zu schwimmen, seit sie alt genug gewesen war, das Laufen zu lernen. »Schwimmen«, entgegnete sie daher.
Froh darüber, unter Hemd und Hose ein einteiliges Trikot zu tragen, schlüpfte Bria aus ihren Kleidern und rannte ins Wasser. Han, der sich bis auf die Shorts ausgezogen hatte, folgte ihr.
Zu ihrer Überraschung fand sie kurz darauf heraus, daß er nicht schwimmen konnte.
»Ich hatte nie Gelegenheit, es zu lernen«, gab er ein wenig verlegen zu. »Ich habe dauernd gearbeitet, und wenn ich mal nicht gearbeitet habe, mußte ich an Flitzerrennen oder ähnlichen Wettkämpfen teilnehmen. Ich hab’ dir doch erzählt, daß ich am Strand von Ylesia zum ersten Mal so viel Wasser auf einmal gesehen habe.«
»Tja«, sagte Bria entschlossen, »dann lernst du es eben heute. Du bist jung und kräftig, und du verfügst über einen guten Gleichgewichtssinn und schnelle Reflexe. Du wirst keine Probleme haben.«
Han erwies sich als begabter Schüler. Bria staunte, wie sehr er sich konzentrierte, wie genau er ihre Anweisungen befolgte, was er mit seinen Armen und Beinen anstellen, wann er atmen sollte und so weiter. Und einmal sagte sie ihm das auch. Han lächelte sardonisch. »Piloten lernen schnell, Instruktionen zu folgen«, erklärte er. »Oder sie sind bald tote Piloten.«
Noch ehe sie das Meer verließen, um zu essen, paddelte er furchtlos durch die Wellen und erzielte bereits erste Erfolge darin, seine Atmung mit den Schlägen der Arme und den Beinstößen zu koordinieren.
»Du bist ein sehr gelehriger Schüler«, lobte Bria ihn, als sie sich nebeneinander auf der Decke niederließen und auf das Meer blickten.
»Danke«, antwortete er, »du bist ja auch eine gute Lehrerin.«
Sie teilten sich den Proviant, den er mitgenommen hatte, und spazierten anschließend Hand in Hand über den Sandstrand. Einmal flog eine kleine Flugechse, die in Schattierungen von Grün und Gold schimmerte, über ihre Köpfe hinweg. Bria streckte eine Hand aus und verhielt sich sehr, sehr still; das kleine Etwas ließ sich auf ihrem Finger nieder und blieb dort mit sanft im Wind flatternden Flügeln sitzen. Han grinste sie an. »Du siehst. wunderschön aus.« sagte er.
»Ich fühle mich, als würde mir die ganze Welt gehören«, erwiderte sie halb im Scherz. »Dieser Tag. ich werde mich immer daran erinnern, Han.«
»Dieser Strand gehört dir«, nahm er den Faden auf und lächelte. »Ich schenke ihn dir. Heute gehört er dir ganz allein.«
Die kleine Echse erhob sich, noch immer ziemlich furchtlos, in die Luft und flog davon.
Während sie durch die Brandung schlenderten, erzählte Han Bria mehr von seiner Absicht, die Imperiale Akademie zu besuchen. »Die Leute
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