Der Pilot
Andacht für Sie wiedergebe?«
Da Han fest entschlossen war, alsbald die Sprache der t’landa Til zu lernen, nickte er. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Der Hohepriester begann die Liturgie von vorne. Han lauschte den rituellen Phrasen, die von den Sakredoten wiederholt und dann von den gläubigen Pilgern in einem monotonen Singsang aufgegriffen wurden.
»Das Ganze ist der Eine.«
»Wir sind der Eine. Wir gehören dem Ganzen.«
»Jeder Eine wird im Dienst des Ganzen erhöht.«
»Wir bringen Opfer, um dem Ganzen teilhaftig zu werden. Wir dienen dem Einen.«
»In Arbeit und Aufopferung finden wir Alle Erfüllung. Wenn jeder Eine hart arbeitet, werden wir Alle erhöht.«
Han unterdrückte ein Gähnen. Es war furchtbar, immer das gleiche.
Endlich, nach beinahe fünfzehn Minuten Gesang, machten Teroenza und die übrigen Priester einen Schritt nach vorne. »Ihr habt gut gearbeitet«, sprach der Hohepriester. »Macht euch bereit für das heilige Geschenk der Erhöhung!«
Die Menge der Pilger gab einen Laut derart gieriger Erwartung von sich, daß Han darüber erschrak. Nun fielen sie in einer einzigen großen Wellenbewegung zu Boden, als wären sie wirklich eins, und blieben dort in einer Haltung atemloser Hoffnung und Begierde mit unter ihren Leibern verschränkten Armen und Beinen liegen.
Die Priester hoben die Arme. Han sah zu, wie die lockere, faltige Haut unter ihren Kehlen sich mit Luft füllte und zu pulsieren begann. Ein tiefes, dröhnendes Summen – oder war es nur eine Vibration? – schwoll ringsum in der Luft an.
Hans Augen weiteten sich, als er etwas in seinen Geist und seinen Körper eindringen fühlte. Halb Vibration, halb hörbarer Klang? Er war sich dessen nicht sicher. Handelte es sich um Empathie oder um Telepathie, oder löste diese Vibration irgend etwas in seinem Gehirn aus? Er wußte es nicht. Er wußte nur, daß es sehr stark war.
Die Kraft überrollte ihn in einer enormen Welle. Emotionale Wärme, physisches Entzücken – sie brachte all dies und noch mehr. Han stolperte rückwärts, über den Rand der Permabeton-Fläche, bis er jäh vom Stamm eines, der Urwaldriesen aufgehalten wurde. Er klammerte sich an den Baum, der Kopf schwirrte ihm. Er grub die Fingernägel in die Borke und hielt sich an dem Stamm fest. Seine Hände an der Rinde waren anscheinend das einzige, was ihn davon abhielt, von jener Welle angenehmer Empfindungen und ekstatischer Freude fortgerissen zu werden.
Han klammerte sich körperlich an den Baum, aber auch sein Verstand richtete sich ganz darauf und wehrte sich dagegen, von der Woge verschlungen zu werden. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, woher er die Kraft nahm, aber er kämpfte so hart wie noch nie zuvor. Sein ganzes Leben lang war er sein eigener Herr gewesen, der Herrscher über seinen Verstand und seinen Körper, und nichts konnte daran etwas ändern. Er war Han Solo, und er brauchte keine Fremden, die gewaltsam in seinen Kopf oder Körper eindrangen, damit er sich wohl fühlte.
Nein! dachte er. Ich bin ein freier Mann, keiner dieser Pilger oder eure Marionette! Frei, hört ihr?
Han stemmte sich mit zusammengebissenen Zähnen gegen diese Invasion, wie er gegen einen physischen Gegner angekämpft hätte, und dann, ganz plötzlich, war die Empfindung so schnell, wie sie über ihn gekommen war, verschwunden – und er war frei.
Doch es war nicht zu übersehen, daß dies keineswegs auch für die Pilger galt. Ihre Leiber krümmten sich auf dem Steinboden, gedämpfte Laute des Entzückens und der Seligkeit verbanden sich zu einem unterdrückten Crescendo.
Han richtete den Blick angeekelt auf die Priester. Sie waren, im Unterschied zu den Pilgern, augenscheinlich nicht betroffen. Deshalb also bleiben diese armen Betrogenen auch dann noch hier, nachdem sie herausgefunden haben, daß von ihnen erwartet wird, in den Gewürzfabriken zu ackern, dachte Han und empfand einen Anflug bitteren Grolls gegen die Priester. Sie ackern den ganzen Tag, dann wandern sie hier rauf und kriegen eine Dosis Wohlgefühl, die im Vergleich dazu sogar das beste Gewürz alt aussehen läßt.
Han fragte sich, ob man von ihm erwartete, daß er jeden Tag an dieser »Abendandacht« teilnahm, und hoffte, daß dem nicht so war. Es war anstrengend genug gewesen, den ungebetenen Ansturm von Behagen und Glück an diesem Abend abzuwehren. Er fürchtete, nicht genug Kraft, genug Entschlossenheit aufzubringen, um sich dem »Muntermacher« der ylesianischen Priesterschaft zu widersetzen,
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